Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_04_9_Presse_OCR
- S.41
Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.
Gesamter Text dieser Seite:
20er
„Ein Anfang“, Seite 12-14
EIN ANFANG
Wie möchte Innsbruck die
Rechte von Obdachlosen
stärken? Ein Gespräch
mit Sozialstadtrat und
Vizebürgermeister Georg
Willi (Grüne).
Interview: EVA SCHWIENBACHER,
JAKOB HÄUSLE
ibt es eine Begegnung mit einem ob-
dachlosen Menschen, die das Thema
für Sie greifbarer gemacht hat?
Georg Willi: Ja, in meiner Zeit als Bürgermeister.
Es gab einen obdachlosen Mann, der demonstrativ
auf den Stufen der Annasäule schlief. Wir sprachen
mit ihm, gaben ihm etwas Geld, aber eine Stadtwohnung konnten wir ihm nicht einfach zuweisen,
da er die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllte. Als es kälter wurde, wollte ich nicht, dass er
über Weihnachten draußen schlafen musste.
Schließlich fanden wir einen Platz in einem Haus
der Innsbrucker Immobiliengesellschaft, das bald
abgebrochen wurde. Er blieb dort eine Zeit lang,
kam später wieder in meine Wohnsprechstunde
und sucht nun eine dauerhafte Wohnlösung.
Wenn Menschen kein Dach über dem Kopf haben
— und deswegen ist mir die Homeless Bill of
Rights so wichtig — und im öffentlichen Raum
schlafen müssen, ist das wie eine Anklage an die
Gesellschaft, dass sie nicht in der Lage ist, Menschen wohnzuversorgen. Und für ein Leben ist es
nun einmal wichtig, ein, ich sage betont, sicheres
Dach über dem Kopf zu haben. Studien zeigen au-
Berdem, dass Menschen, die sich gut untergebracht
fühlen; gesünder sind: —-
Schon vor zwei Jahren bekundeten Sie im 20er
Interesse an der Homeless Bill of Rights. Vor
kurzem wurde sie unterzeichnet. Wie ist es
dazu gekommen?
Wir bekennen uns im Zukunftsvertrag zum Lissabon-Ziel, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beseitigen und eine Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit
zu erstellen. Meine Büroleiterin Jasmin Kompatscher und Sophia Bahl von der Sozialplanung und
Sozialkoordination gaben den Anstoß, zusätzlich
die Homeless Bill of Rights zu beschließen und
diese an den Ausgangspunkt des Prozesses zu setzen. Wie gehen wir mit Menschen ohne Dach über
Seite 41 von 43
dem Kopf um? Schließlich wurde der Antrag von
allen Parteien mit Ausnahme der FPO, die aber
auch acht der elf Artikel unterstützt hat, angenommen. Es ist ein Bekenntnis, das schon viele Städte
abgegeben haben, und ein Startpunkt — im Wissen, dass wir nicht alles von Beginn an umsetzen
können.
Wessen Rechte schützt diese Charta genau?
Für mich sind alle Menschen — ausgenommen
Touristen natürlich — gemeint, die in Innsbruck
leben und ein Bett für die Nacht oder einen Ort
zum Wohnen brauchen. Ich hätte gern, dass wir in
Innsbruck alle, die hier dauerhaft leben, wohrnversorgen können. Auch versteckte Wohnungslosigkeit zählt dazu, wenn beispielsweise Frauen oder
Jugendliche prekär wohnen und Couchsurfing
betreiben.