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Jahr: 2025

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- S.42

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20er

Es gibt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, es gibt den UN-Sozialpakt. Was
ist die zwingende Notwendigkeit, dass es diese
Charta für Innsbruck braucht?

Die zwingende Notwendigkeit gibt es nicht. Aber
die Zusammenfassung der Rechte in elf Punkten
löst eine höhere Verpflichtung aus, für diese Menschen etwas zu tun. Wir haben in unserer Stadt vier
Einrichtungen, wo wir wohnungslose Menschen
unterbringen. Die ganzjährige Notschlafstelle am
Schusterbergweg der TSD und die Winternotschlafstelle des Roten Kreuzes in der Richard-Berger-Straße, die beide im Auftrag des Landes betrieben werden, und das Alexihaus und die
Herberge der Stadt Innsbruck. In Summe gibt es
rund 280 Plätze. Aufgabe dieses Prozesses ist es,
dass wir uns politisch auf einen Standard für diese
Einrichtungen einigen. Wie muss die Einrichtung
aussehen, dass sie für Innsbruck und unsere Ansprüche an Menschenwürde adäquat und zugleich
niederschwellig ist?

Was würden Sie als adäquat bezeichnen?

Es geht einmal um die Zimmergröße. Ein- oder
maximal Zweibettzimmer wären mein Anspruch.,
Zweitens würde ich Frauen und Männer getrennt
unterbringen, außer es besteht der Wunsch, das
Zimmer zu teilen. Dasselbe gilt für Nasszellen, die
im Idealfall bei den Zim-

die Notschlafstelle Richard-Berger-Straße hat eine
zeitliche Begrenzung, da die Stadt dort Gewerbe
ansiedeln möchte. Das neue Rotkreuz-Zentrum
am Sillufer wird 2028 fertig sein und z5 Notschlafplätze bieten. Die Vinzenzgemeinschaft betreibt
das Waldhüttl und den Poltenhof. Diese Unterkünfte sind für Arbeitsmigrantinnen, die temporär
in der Stadt sind, um Geld zu verdienen und dieses
nach Hause zu schicken. Sie brauchen günstige
Wohnmöglichkeiten. Jussuf Windischer leitet diese Unterkünfte mit viel Herz, aber klaren Regeln
wie Alkoholverbot und wöchentlichen Hausversammlungen. Solche Unterkünfte wie der Poltenhof sind sehr bedeutsam. Für den suchen wir aber
auch schon wieder einen Ersatz, weil er bald durch
ein neues Gebäude ersetzt wird.

Wohnen ist ein zentraler Punkt der Obdachlosenrechte. Welche Möglichkeiten gibt es, wie
im Falle des Poltenhofs, zwischenzeitlich Leerstand zu nutzen?

Mein Ziel ist es, bekannt zu machen, dass wir
Quartiere suchen. Menschen, die ein Haus oder
eine Wohnung für kurze Zeit zur Verfügung stellen können, sollen sich melden. Es ist sinnvoll, Gebäude zu nutzen, bevor sie leer stehen.

Welche systemischen Ansätze gibt es, um die
Wohnproblematik zu lö-

mern sein sollten. Das be- : sen?

deutet, dass wir die Häuser „WCII:I.I.II;/[ eläschen ke;n Der größte systemische Anumbauen müssen. Umbau- Dach über A en} Kop ] satz, den wir derzeit verfolen heißt Investitionskosten haben und im öffentlichen gen, ist Housing First, unterund dafür braucht es wieder Raum schlafen müssen, stützt von Bund und Land.
politische Mehrheiten. Des- ist das wie eine Anklage lilawohnt hat hier den Anwegen bin ich froh um die- ° ® fang gemacht. Es hat die ers-

an die Gesellschaft.

sen Prozess, bei dem nicht
nur die Spezialisten in den
Vereinen, die sich um diese
Menschen dankenswerterweise kümmern, beteiligt
sind, sondern auch die Vertreterinnen und Vertreter
des Gemeinderates. Am Ende des Tages brauchen wir eine Mehrheit.

Neben den erwähnten Einrichtungen und der
Stadt ist auch das Land involviert. Wie gestaltet
sich diese Partnerschaft?

Wir besprechen schwierige Fälle. Die Notschlafstelle am Schusterbergweg liegt im Stadtgebiet von
Innsbruck. Die Bewilligung endet 2027. Ursprünglich war es ja ein Flüchtlingsheim, das zur
Notschlafstelle umfunktioniert wurde. Rechtlich
kann die Bewilligung nur einmal verlängert werden. Da das Gebäude im Gewerbegebiet liegt, ist
Wohnen dort eigentlich nicht erlaubt. Eine Widmungsänderung wäre nötig. Der Standort ist akzeptiert, aber die Stadtplanung sieht Wohnen im
Gewerbegebiet kritisch, da es Gewerbe verdrängen
könnte, welches wiederum wichtig für Kommunalsteuereinnahmen und Arbeitsplätze ist. Bis
Frühjahr 2027 braucht es hier eine Lösung. Auch

ten zehn Wohnungen erhalten und kürzlich wurden
sechs weitere beschlossen.
Im März wurde das Projekt
Housing First im Haus der
Begegnung präsentiert. Andere Bundesländer sind vergleichsweise weiter, weil dort
gemeinnützige Wohnbauträger die Wohnungen
direkt vergeben. Hier in Innsbruck werden alle gemeinnützigen Wohnungen durch die Stadt vergeben. Bei dem Termin waren Vertreter der Stadt,
des Landes, der Gemeinnützigen, der Caritas, des
Vereins für Obdachlose und lilawohnt anwesend.
Ich appelliere an die Gemeinden im Großraum
Innsbruck, sich zu beteiligen, weil die Stadt Innsbruck nicht allein alle Wohnungen für Housing
First bereitstellen kann. Das würde uns überfordern. Wir haben 2.300 Vormerkungen auf unserer
Mietwohnungsliste, besonders viele für Single-
Wohnungen. Mein Appell ist, dass der Großraum
Innsbruck, von Telfs bis Wattens, sich beteiligt.
Undich hoffe, dass wir durch Housing First Menschen aus der Wohnungslosigkeit in die Wohnfähigkeit bringen, mit anfänglicher Begleitung, die
nach und nach abklingt. Langfristig sollen die
Menschen eigenständig wohnen können.

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Die Obdachlosigkeit endet nicht automatisch
mit einer Wohnung. Es gibt Menschen, die
nicht allein wohnen können oder wollen. Welche Begleitmaßnahmen braucht es und was
kann die Stadt tun?

Ich bin dankbar, dass wir die Spezialisten in den
Einrichtungen haben. Die Stadt sollte mit spezialisierten Einrichtungen kooperieren und sicherstellen, dass diese finanziert sind und über Wohnraum
verfügen, in dem sie bei Bedarf auch Begleitkonzepte durchführen können. Die Kunst ist, dass wir
ihnen für ihre Arbeit den Wohnraum, den sie brauchen, zur Verfügung stellen und dabei auch große
Häuser auflösen zugunsten kleinerer Einheiten.

Sie sagten, dass man auch die umliegenden
Gemeinden einbinden muss. Da könnte der
Eindruck entstehen, dass man Obdachlose aus
dem Stadtbild haben möchte. Was entgegnen
Sie dieser Kritik?

Ich erkenne an, dass Innsbruck als Zentralort für
obdachlose Menschen besser ist, da es mehr Angebote und Sozialeinrichtungen gibt. Alle wichtigen Dienststellen sind in Innsbruck und die Verkehrsanbindung ist hervorragend. Dennoch finde
ich es nicht gerecht, dass 95 Prozent der Notschlafstellen in Innsbruck sind. Wir haben zwölf
Winter-Notschlafplätze in Kufstein und zwölf in
Lienz, wofür ich dem Bürgermeister bzw. der
Bürgermeisterin dort dankbar bin. In anderen
Bezirkshauptstädten fehlen jedoch ähnliche Angebote. Viele Obdachlose kommen aus anderen
Bundesländern, nicht nur aus Innsbruck und Tirol. Innsbruck muss als Zentralort mehr Aufgaben übernehmen, das sehe ich ein, aber die Lasten sollten besser verteilt werden. Weitere
Bezirksstädte sollten in die Pflicht genommen