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Jahr: 2025

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Tiroler Tageszeitung

„„Es handelt sich um Menschen‘“, Seite 5

„Es handelt sich um Menschen“

Ein Zeltlager vor einer ehemaligen Notschlafstelle in Innsbruck soll am Montag aufgelöst
werden. Ein Lokalaugenschein an einem Ort des Elends mitten in der Landeshauptstadt.

Von Irene Rapp

Innsbruck — Freitag Früh in
der Richard-Berger-Straße in
Innsbruck. Ende April wurde
dort eine Notschlafstelle des
Roten Kreuzes geschlossen,
rund um das Gebäude leben
seitdem Menschen in Zelten.
„Es waren an die 30, darunter
Tiroler, andere Österreicher
und Personen aus EU-Ländern“, erzählt Jussuf Windischer, Obmann der Vinzenzgemeinschaft Waldhüttl.
Einige davon befinden sich
bereits im Aufbruch, andere kommen aus ihren Zelten
und beginnen zu erzählen.
Eine Frau berichtet in gutem
Deutsch, dass sie seit einigen
Wochen trocken sei, derzeit
an einer Mittelohrentzündung leide und hoffe, bald
wieder gesund zu werden.
„Jeder von uns hat eine Geschichte, warum er auf der
Straße lebt“, sagt sie und dass
in der Nacht Personen in Uniform gekommen seien, um
mitzuteilen, dass das Lager
am Montag geräumt wird.

Einige schon gegangen
Einige Meter weiter wartet
ein Roma-Ehepaar vor seinem Zelt, vor dem ein Blumentopf steht. Die Frau beginnt zu weinen, dass sie weg
muss, weiß sie. Wohin sie und
ihr Mann gehen sollen, nicht.
„Ich gehe in den Wald“, sagt
ein junger Tiroler. Und dass
einige schon das Areal verlassen hätten, seitdem bekannt
ist, dass das Zeltlager nicht
mehr geduldet wird.
Windischer und Thomas
Schultze von der Vinzenzgemeinschaft Poltenhof kümmern sich seit Tagen um die
Menschen, die sich hier niedergelassen haben. Unter

Fo%0: Aual Speingae/TT

Für einige wurden
Lösungen gefunden. Auch mir gefällt
es nicht, wenn Leute in
Zelten leben müssen.“

Georg Willi
(Vizebürgermeister Innsbruck)

schwer vorstellbaren Bedingungen, wie ein Blick über
den Platz zeigt. Vor einigen
überfüllten Müllcontainern
liegen alte Matratzen und anderer Abfall. Die einzige mobile Toilette ist verschmutzt

Das einzige mobile Klo am Areal n
hängt Kleidung zum Trocknen über einem Zaun.

und stinkt zum Himmel. Auch
woanders scheinen sich Menschen erleichtert zu haben.
Waschmöglichkeiten gibt es
keine. „Das ist ein Elendsquartier“ sagt Windischer.
Und: „Ja, einige hier haben
Probleme. Aber es handelt
sich um Menschen.“

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der Richard-Berger-Straße, daneben

S M %r

Fotos: Rapp

Sogar unter dem Vordach
zur geschlossenen Notschlafstelle steht eine Liege, darauf
liegt ein Schlafsack. An einem Pfosten hängt ein Zettel
mit der Info in drei Sprachen,
dass der Platz am Montag geräumt wird — Verantwortlicher ist keiner angeführt.

Nur einige hundert Meter
weiter befindet sich die Notschlafstelle der Tiroler Sozialen Dienste (TSD). Doch
dorthin wollen viele der in der
Richard-Berger-Straße Zeltenden nicht. Ein Zettel mit Gründen hängt an der Hauswand.
Demnach sei dort Gewalt Thema, würden Paare getrennt
und sich Angehörige der Roma diskriminiert fühlen. Auch
mit dem Security-Personal
komme es zu Problemen, persönliche Sachen würden verschwinden. „Ob das alles zutrifft, wissen wir nicht. Aber
wir haben die Menschen gefragt, warum sie lieber hier
im Zelt schlafen und das verschriftlicht“, sagt Schultze.

Einige Lösungen gefunden
Doch das ist bald nicht mehr
möglich: Stadt und Land haben laut Innsbrucks Vizebürgermeister Georg Willi beschlossen, das Areal räumen
zu lassen, u.a. wegen der
Müllproblematik und der
unhygienischen Bedingungen. „Für einige der Personen
wurden Lösungen gefunden —
sprich, sie bekommen eine
Wohnmöglichkeit. Ein Teil
soll das Angebot am Schusterbergweg in Anspruch
nehmen. Auch mir gefällt es
nicht, wenn Leute in Zelten
leben müssen“, sagt Willi.

Windischer und Schultze
wiederum befürchten, dass
woanders „neue Elendsquartiere“ entstehen könnten.
Die Notschlafstelle in der Richard-Berger-Straße solle daher wieder geöffnet werden.
Für eine Handvoll der am Areal zeltenden Personen haben
die beiden Vinzenzgemeinschaften inzwischen ebenfalls ein vorläufiges Dach über
dem Kopf gefunden.