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Tiroler Tageszeitung

„Attacke auf Kunstwerk“, Seite 5

Attacke auf Kunstwerkp‚ Er

Unbekannte zerstörten „Wortdenkmal“, das an die TE E g
NS-Zeit erinnert. Künstler reagieren kreativ. 8

Von Michael Domanig

Innsbruck — Groß, bunt, dreidimensional aus Karton gefertigt: So präsentieren sich vier
„Wortdenkmäler“, die in Innsbruck seit wenigen Tagen im
öffentlichen Raum zu sehen
sind. Auch wenn sich das nicht
sofort erschließen mag: Alle
vier Wörter — „Kultur“, „Forschung“, „Marmelade“ und
„Provokation“ — haben mit
Aspekten der NS-Zeit in Innsbruck zu tun, mit den jeweiligen Standorten, mit konkreten
Geschichten von Opfern und
TäterInnen.

Es handelt sich um das heurige Siegerprojekt der erinnerungspolitischen Reihe „gedenk_potenziale“ der Stadt
Innsbruck, geschaffen von
den aus Tirol stammenden,
heute in Oberösterreich bzw.
Wien tätigen Geschwistern
Christine und Andreas Pavlic.

Das scheinbar harmlose
Wort „Marmelade“ verweist

s

beispielsweise auf sieben
Opfer aus dem Arbeitserziehungslager Reichenau: Im Dezember 1943 wurden alle sieben nach Aufräumarbeiten in
einem zerbombten Haus wegen „Plünderung“ öffentlich
hingerichtet - bei einer Durchsuchung war ein Marmeladenglas gefunden worden.
„Provokation“ wiederum
steht für die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen
Nationalsozialisten und ihren
Gegnern bei der Höttinger
Saalschlacht 1932 sowie die
widerständige Kommunistin
Thusnelda Bucher.

Anzeige gegen unbekannt

Genau dieses „Wortdenkmal“
in Hötting wurde nun allerdings von unbekannten Tätern zerstört - und zwar noch
vor der offiziellen Eröffnung:
Bei einem Stadtspaziergang
mit den Künstlern am 5. Mai,
jenem Tag, an dem Österreich der Befreiung des KZ

Mauthausen gedenkt, war das
Kunstwerk bereits kaputt.
„Wir haben uns im Vorfeld
darüber unterhalten, ob solche
Vandalenakte passieren können“, sagt Künstlerin Christine
Pavlic. Überraschend sei allerdings, „dass es so schnell und
massiv geschehen ist“. Das
Kunstwerk sei völlig zerstört,

Seite 6 von 23

Aus dem Wortdenkmal „Provokation“ in Hötting machten Vandalen „Porno“. Beim Stadtspaziergang am Sonntag im Beisein der Künstler wurde dies spontan zu „Pronto“ umgeformt. Foto: Lieb!

mehrere Buchstaben fehlen,
es muss abgebaut werden.
Ob das Ganze in die Kategorie
„jung und dumm“ fällt oder
aber politisch motiviert war,
wisse man nicht, sagt Pavlic.
Sie hat Anzeige gegen unbekannt erstattet.
Wiederherstellen wird man
das Kunstwerk nicht. Aber es

verschwindet auch nicht: „Die
übrigen Buchstaben kommen
temporär ins Stadtarchiv, die
Lücken werden gefüllt, Zusammenhänge geschlossen“,
berichtet Pavlic. Zudem werde man, auch auf Social Media, den Vandalenakt selbst
mitthematisieren.

Eine spontane und kreative
Reaktion bewies man schon
am Sonntag: Nachdem die Unbekannten in infantilem Humor aus verbliebenen Buchstaben von „Provokation“ das
Wort „Porno“ gebildet hatten,
wurde dies beim Stadtspaziergang nach kurzem Überlegen
in „Pronto“ umgeformt ...

Grundsätzlich seien die Reaktionen der Bevölkerung übrigens „total positiv“, das Interesse enorm, betont Pavlic.

Zu sehen sind die Wortdenkmäler noch bis Anfang
Juni, per QR-Code vor Ort
bzw. über http://wortdenkmal.
at)kann man die Geschichte(n)
hinter den Wörtern nachlesen.