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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_05_2_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„Abschleppen hat seine Grenzen“, Seite 5
Abschleppen hat seine Grenzen
Rechtswidrig abgestellte Fahrzeuge sorgen für Ärger. Stellen diese jedoch auf privaten
Flächen keine Behinderung dar, ist vorschnelles Abschleppen rechtlich kaum gedeckt.
Von Reinhard Fellner
Innsbruck - Abschleppungen
stellen im städtischen Straßenverkehr ein gewohntes
Bild dar. Noch vor der Pandemie zählte der Innsbrucker
Stadtmagistrat rund 2000 beauftragte Abschleppungen
jährlich. Besonders oft rücken
die Kranwagen übrigens am
Wochenende und zu Behindertenparkplätzen an. Behindern Fahrzeuge auch sonst
den flüssigen Verkehr, stellen
an Kreuzungen eine Gefahr
„ Da das Auto nicht
behindernd abgestellt war, war die
Selbsthilfe durch Abschleppung übermäßig.“
Matthias Paul Hagele
(Rechtsanwalt)
dar oder verstellen beispielsweise die Feuerwehrzone,
muss man als Halter eines abgeschleppten Fahrzeugs mit
Gemeindeorgan beziehungsweise Polizei nicht lange diskutieren.
Auch auf Privatgrundstücken stellt die Behinderung
anderer während unerlaubten Parkens übrigens einen
Abschleppgrund (die Massivität der Behinderung muss
jedoch zur Abschleppung in
Relation stehen) dar. Darüber
hinaus müssen sich Private
die vorschnelle Beauftragung
eines Abschleppunternehmens jedoch schon genau
überlegen, wie ein in zweiter
Instanz rechtskräftiges Berufungsurteil des Innsbrucker
Landesgerichts belegt.
Ausgangspunkt war das
Parken eines Tirolers auf
dem Kundenparkplatz eines
Händlers. Schönheitsfehler:
/
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Eine Abschleppung von privaten Flächen ohne Kontaktaufnahme mit dem Fahrzeughalter ist risikoreich. fı uc
Der Gratisparkplatz wurde
nicht mit einem Einkauf honoriert, sondern für anderweitige Erledigungen genutzt.
Als der Lenker zurückkehrte, fand er den Parkplatz ohne Pkw vor. Eine Nachfrage
im Geschäft ergab, dass man
das Auto habe abschleppen
lassen.
Eine Fahrt zum Areal des
Abschleppunternehmens
folgte. Dort trennten den Tiroler jedoch eine Schranke
und die Bezahlung von 402
Euro bei einem Firmen-Container vom Wiedereinstieg in
das Fahrzeug.
Nachdem auch Wünsche
in Richtung Preisreduktion
nicht gefruchtet hatten, bezahlte der Tiroler murrend
und brauste direkt zu Rechtsanwalt Matthias Paul Hagele,
der im Bereich der Abschleppungen schon einen Spezialisierungsgrad aufweist.
Eine Klage auf Rückforderung des gesamtes Betrages
folgte. Um es vorwegzunehmen: Das Abschleppunternehmen musste dem Autofahrer die vereinnahmten
402 Euro vollumfänglich zurückzahlen und muss zudem
auch die Prozesskosten be-
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gleichen. So hatte das Unternehmen zwar argumentiert,
dass man hier im Auftrag
des Kunden ein rechtswidrig abgestelltes Auto kurz vor
Betriebsschluss von dessen
Areal abgeschleppt habe. Zu
dieser Zeit sei eine Halterauskunft nicht mehr möglich gewesen, das ganze Areal werde
nach Ende der Betriebszeit
mit einer Kette abgesperrtt.
Ein Akt der Selbsthilfe des
Arealbetreibers. Dazu habe
der Fahrzeughalter jederzeit
vom Betriebsgelände der Abschleppfirma fahren können,
da der Schranken von innen
auf eine Lichtschranke reagiert. Erst darauf habe man
rechtliche Schritte eingeleitet.
Nicht nachvollziehbar war
dies jedoch für zwei Gerichtsinstanzen. RA Hagele: „Die
Gerichte haben festgestellt,
dass diese Art von Selbsthilfe
durch Abschleppung schon
bei der gebotenen Abwägung
der wechselseitigen Interessen übermäßig war. Das Fahrzeug war ja nicht behindernd
ab&::stclll. was wiederum
rechtlich zur Folge hat, dass
die gesamte Abschleppung
rechtswidrig und auch die Bezahlung der 402 Euro durch
den Lenker rechtsgrundlos
erfolgt ist.“
Das Landesgericht im Berufungsurteil: „Abschleppen
ist zur Selbsthilfe nur in engen Grenzen zulässig. Bei einem Fahrzeug ohne besonde-
‚ Im Eindruck, dass
der Pkw nur nach
Bezahlung ausgefolgt
werde, entstand eine ge-
wisse Drucksituation.“
Landesgericht
(Berufungsurteil)
re Behinderung besteht kein
Selbsthilferecht. Vor dem
Abschleppvorgang müssen
zunächst auch nach der ständigen höchstgerichtlichen
Rechtssprechung zumutbare
Lenkererhebungen angestellt
werden.“
Zuletzt sei der Lenker beim
Bezahlen unter Druck gestanden. Dass ihm nämlich
am Container erklärt worden sei, dass er auch ohne
Bezahlung bei dann folgender Besitzstörungsklage vom
Abschlepp-Areal ausfahren
könne, £am im Verfahren
nicht hervor,