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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_06_15_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
Der umstrittene Höhepunkt der Demo: Der etwa zwei Kilometer lange Demonstrationszug benötigte rund
„Radler strampeln sich für Klima ab“, Seite 3
40 Ülnmeu für die 700 Meter lange Radtour auf der Inntalautobahn,
Radler strampeln sich fürs Klima ab
Für die einen war’s eine Party für den guten Zweck, für andere ein Protest gegen die Klimapolitik. Über
1700 Demonstranten radelten friedlich über die Autobahn. Anzeigen und Verkehrschaos blieben aus.
Von Thomas Hörmann
Innsbruck - Der Wettergott
ist auf der Seite der Klimaaktivisten. Blieb der Freitagvormittag noch eher kühl,
lacht am Freitagnachmittag die Sonne vom Himmel.
Ideales Radel-Wetter also,
das zwischen 1700 (laut Polizei) und 3000 (laut Organisatoren) Teilnehmer zum
Treffpunkt der Fridays-For-
Future-Demo vor das Innsbrucker Landestheater lockt.
Dort sorgt das StreetNoise
Orchestra ab 14 Uhr für Par-
tystimmung. Doch die Redner machen rasch klar, dass
ihr Anliegen ein ernstes ist.
Sie fordern eine Mobilitätswende, Klimagerechtigkeit
und einen Ausbaustopp von
Straßen. „Der Transit bereitet
uns großes Unbehagen, besonders weil er in den letzten
genüber. Nach fünf Minuten
war uns klar, dass die Kundgebung nicht genehmigt
wird.“ Erst ein Richter (des
Landesverwaltungsgerichts)
habe zugestimmt, dass „wir
gegen die Auswirkungen des
Verkehrs am Ort des Geschehens (der Autobahn; Anm.)
i dürfen“.
Jahren stark zug
hat“, erklärt etwa eine „Oma
gegen Rechts“. Eine weitere
Rednerin erinnert daran, wie
die Fahrraddemo im Vorjahr
untersagt wurde. „Bei der Anmeldung saßen wir 15 Beamten von Polizei und Land ge-
p
Was dann auch geschieht:
Kurz vor 15 Uhr radeln die
Teilnehmer angeführt und
flankiert von der Polizeieskorte los. Im forcierten
Schritttempo umkurvt der
etwa zwei Kilometer lange
Tross die Altstadt, dann geht"’s
durch die Museumstraße und
Pradl in Richtung Autobahnauffahrt Innsbruck Mitte.
Selbst Kinder auf Laufrädern
sind dabei. „Wir sind erstmals bei einer Klima-Demo“,
erzählt eine Unterländerin,
„weil die Politik immer mehr
nach rechts driftet.“ Und weil
die Politik versagt und „unsere Zukunft verspielt“, ergänzt
ein deutscher Student. Zwei
Sportler auf ihren Karbon-
Rennrädern geben offen zu,
„dass wir einfach nur einmal auf der Autobahn fahren
Innsbruck —- Die Brennerautobahn wurde in den 1960er-
Jahren gebaut. Damit sollten
Handel und Tourismus angekurbelt werden. Schon ein
Jahrzehnt später formierten
sich erste Proteste — wogegen?
Maria Buck: Am Anfang waren das lokale Proteste, zum
Beispiel dort, wo eine Straße ausgebaut werden sollte.
Dann fingen erste Gemeinden im Wipptal an, sich gegen die Mautbelastung zu
wehren. Vor allem in den
1980er-Jahren kam der Umweltaspekt ins Spiel. Da ging
es darum, den Alpenraum als
Lebens- und Kulturraum zu
erhalten.
Mit welchen Mitteln wurde
damals demonstriert?
Buck: Die ersten Aktionen
waren illegal, also nicht behördlich genehmigt. Schon
bald gab es allerdings ein
Bei den Protesten auf der Brennerautobahn marschierten Schützen auf.
Auch ein Gottesdienst wurde abgehalten.
wurden vor allem Langsamfahr-Aktionen gemacht, bei
denen zwei Autos nebeneinander auf der Autobahn mit
Gesc
Umdenken, denn die negativen Bescheide wurden umgehend den Medien zugespielt.
Daraufhin haben Politik und
Behörden erkannt, dass das
Recht auf Protest gewahrt
werden muss. Am Anfang
fuhren und so einen Stau
produzierten.
War diese Methode förderlich für die Ziele der Protestbewegung?
Buck: Ja, im ersten Moment
gab es sehr große Effekte.
Archivioro: Fischer
Die medial wichtigsten Protestaktionen waren aber die
Protest mit Volksfest-Charakter
Maria Buck von der Uni Innsbruck forscht zur Historie der Autobahn-Blockaden in Tirol.
der gab es Kletterparks und
Bobbycar-Parcours. Vielen
Kindern von damals ist das
bis heute in Erinnerung geblieben.
Wer protestierte damals?
Buck: Anwohnerinnen und
Anwohner. Die Proteste in
Tirol unterscheiden sich von
anderen insofern, als dass die
Gruppe viel bürgerlicher, die
Tiroler Durchschnittsbevölkerung war. Den klassischen
Umweltbewegungen, Studierenden und Linken war
das - besonders zu Beginn —
oft zu konservativ.
Würden die Protestteil-
nehmer von damals die
Rad-Demo von Fridays
For Future auf der Auto-
bahn gutheißen?
Buck: Gutheißen sicher, ob
Blockaden der Br
bahn, wo teilweise bis zu drei
Tagen mit Volksfest-Charakter die Autobahn blockiert
wurde. Es gab Aufmärsche
der Schützen, einen Gottesdienst und die anli d
sie mitfah weiß ich nicht.
Da der Druck auf EU-Ebene
wieder steigt, bin ich mir sicher, dass einige von damals
es befürworten, dass die Autobahn mal wieder für kurze
Bauern haben ihre l’;;)dukte
verkauft. Bierbänke wurden
aufgestellt und für die Kin-
Zeit lahmgelegt wird.
Das Gespräch führte
Nico Knappe
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wollen“. Der Wunsch geht in
Erfüllung. Etwa 40 Minuten
dauert es, bis die Rad-Demonstranten den 700 Meter
langen Autobahn-Abschnitt
zwischen Innsbruck Mitte
und dem Wiltener Tunnel
passiert haben. Dann noch eine Schleife über den Südring,
ehe die Teilnehmer zum Landestheater zurückkehren.
Die Passanten reagieren
unterschiedlich: Manche mit
Kopfschütteln, andere jubeln.
Fußgänger haben in der Innenstadt Mühe, die Straßen
zu überqueren. Da helfen
auch die Schutzwege nichts.
Einige gehen volles Risiko
und laufen in Schlangenlinien durch den Demo-Zug. Ein
einsamer Kritiker hält den
Radlern ein Papp-Schild vors
Gesicht: „Geht arbeiten statt
uns auf den Sack“, so seine
rüde Empfehlung.
Kräfte sammeln vor der Klima-Radtour beim Landestheater (1). Ein Kriti-
Polizei-Sprecher Christian
Viehweider stellt den Teilnehmern ein Vorzugszeugnis
aus: „Alle blieben friedlich,
es gab keine Anzeige.“ Staus
bildeten sich nur entlang der
Demoroute im Stadtgebiet.
ker mit einem rüden Vorschlag (2). Radeln durch die Museumstraße (3).
Die Polizei führte den Tross an (4).
Fotos Springer, APA/Kreuzer