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Tiroler Tageszeitung

„Wo individuelle Werte zählen“, Seite 6

Wo individuelle Werte zählen

Hier ist auch Unscheinbares gut aufgehoben: Freude und Enttäuschung im Innsbrucker Fundbüro.

Von Michaela $S. Paulmichl

Innsbruck — „Ich hab da was
gefunden!“ Die Frau, die gerade das Fundbüro in der Fallmerayerstraße 2 in Innsbruck
betreten hat, holt eine grüne
Mütze aus ihrer Tasche. Für
Außenstehende mag die Kopfbedeckung aus Wolle nicht
von großem Wert sein, „aber
vielleicht gehört sie jemandem, der sie sehr vermisst“,
sagt Herwig Kaltenbacher.
Von einem besonderen Menschen geschenkt bekommen
oder sogar von der inzwischen
verstorbenen Oma mit Liebe

selbst gestrickt, haben scheinbar unbedeutende Dinge für
ihre Besitzer eben eine ganz
besondere Bedeutung, meint
der langjährige Mitarbeiter im
städtischen Fundbüro. Und
wenn diese Erinnerungsstücke verloren gegangen sind
und dann wieder auftauchen,
weil ein aufmerksamer Mitmensch sich die Mühe gemacht hat, sie abzugeben, ist
die Freude immer sehr groß.
Die Nachricht, dass ein abhanden gekommener Gegenstand wirklich säuberlich etikettiert in einem der Regale
auf Abholung wartet, sorgt re-

gelmäßig für leuchtende Augen, und das freut dann auch
die Mitarbeiter. „Es ist schön,
wenn man helfen kann. Die
Leute kommen oft mit verzagtem Gesicht zu uns, und sind
dann sehr erleichtert.“ Wer
schon überall gesucht hat, für
den ist die Adresse im Stadtzentrum die letzte Hoffnung.
Und die Enttäuschung groß,
wenn es dann doch heißt:
„Das hat leider niemand abgegeben. Kommen Sie in ein
paar Tagen wieder.“

Im vergangenen Jahr haben
ehrliche Finder 6331 Gegenstände gebracht, nur die Hälf-

Herwig Kaltenhauser freut sich, wenn Verlorenes auftaucht. Ehrliche Finder gibt es viele, die Geldbörsen und sogar eine Motorsäge abgeben.

te wurde abgeholt. Warum
ihre Besitzer nicht den Weg
ins Fundamt finden, darüber
kann nur spekuliert werden.
Mit der Wegwerfgesellschaft
hat das laut Kaltenhauser
nichts zu tun. „Das war schon
immer so, daran hat sich
nichts geändert.“ Er ist seit
der Eröffnung des Amts 2002
mit dabei, vorher konnten gefundene Gegenstände bei der
Polizei abgegeben werden.
Immer wieder tauchen auch
kuriose Gegenstände auf, wie
Gebissteile. Ein weiterer ungewöhnlicher Fund und der
derzeit wohl schwerste ist aber

Fotos: Falk

eine Motorsäge.

Wieder ertönt die Klingel,
ein älterer Mann tritt ein und
fragt, ob seine Brille abgegeben wurde. Ein Mädchen erkundigt sich nach einem blauen Rucksack und eine Frau
nach ihrem Handy. Alle müssen vertröstet werden. „Heute ist wieder einmal Hochbetrieb“, sagen die Mitarbeiter.

Berührend ist für sie immer
wieder, wie sehr sich auch die
Finder freuen. Kaltenhauser:
„Weil sie etwas dazu beitragen
können, dass andere verloren
Geglaubtes zurückbekommen“. Manche lehnen auch
die zehn Prozent Finderlohn
ab, die ihnen zustehen.

Vieles, was abgegeben wird,
kann leicht zugeordnet werden — wie Geldtaschen, in denen sich immer eine E-Card,
ein Schüler- oder Seniorenausweis findet. Die Mitarbeiter forschen im Melderegister
die Besitzer aus und informieren sie per Post. Wer weniger
Glück hat oder selbst nicht
weiß, wo er einen Gegenstand
verloren hat, sollte es außerhalb von Innsbruck probieren. „Jede Gemeinde hat ein
Fundamt. Es lohnt sich nachzufragen.“ Und wer einen auf
dem Boden liegenden Schal
findet, sollte daran denken:
Er könnte für jemanden einen
großen Wert haben.

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