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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_04_25_Presse_OCR
- S.21
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Der Standard
Kampfzone Leerstand
Nach der aktuellen Verfassungsänderung evaluieren manche Länder die Leerstandsbesteuerung neu.
Die Einhebung könnte aber schwierig werden, wie man am Beispiel Innsbruck sieht.
n Innsbruck ist gerade noch Bürgermeister-Wahlkampf, im ausgebauten
Dachgeschoß des Rathauses merkt
man davon aber nicht viel. H|er hat die
Abteilung Gebäude- und
register (GWR) des Innsbrucker Ma-
gistrats ihre Büros beziehungsweise ihr Büro,
es ist eigentlich nur ein langer Schlauch, ein
Schreibtisch reiht sich an den anderen, durch-
brochen nur hie und da von alten Holzbalken
des Dachstuhls.
Von hier aus gehen Referatsleiter Manfred
Hirsch und sein Team seit 2019 dem Innsbrucker Leerstand auf den Grund. Der gesamte
Gebäudebestand der Tiroler Landeshauptstadt wird dabei „korrigiert“, also der tatsächlich baurechtlich bewilligte Bestand mit Widmungen und Bescheiden bzw. Plänen abgeglichen, außerdem wird dabei das Gebäude- und
Wohnungsregister (GWR) mit dem Zentralen
Melderegister (ZMR) „gematcht“. Dabei stoßen
sie auch immer wieder auf Meldungen in Einheiten, die es baurechtlich betrachtet gar
nicht gibt — weil etwa Kellerräumlichkeiten,
Geschäftseinheiten, Dachböden, Hobbyräume oder Ställe zu Wohnungen ohne Baubewilligung umgebaut wurden. „Es gibt sehr viel
von uns aufzuarbeiten“, sagt Hirsch dem
STANDARD.
Der bisher erhobene Leerstand in Innsbruck auf Grundlage von mittlerweile mehr
als der Hälfte des korrigierten Bestands beläuft sich auf rund 3500 Wohneinheiten oder
8,9 Prozent. Das würde, falls sich das so auf
den Boden bringen lässt, Leerstandsabgaben
in Höhe mehrerer Millionen Euro für die Stadt
Innsbruck bringen. Wie gesagt: falls.
Verfassungsänderung ist durch
„Kampfzone Leerstand“, Seite 2
tretene Situation will man in der Bundeshauptstadt beobachten. Dasselbe gilt für Niederösterreich, wo man sich ebenfalls schon im
Noh
Martin Putschögl
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Doch mit den erweiterten Befugnissen der
Länder ist es natürlich noch nicht getan. Die
größere Herausforderung ist und bleibt es,
Vorjahr auf die Einführung einer
sitzabgabe geeinigt hat. Diese Pläne werden
weiterhin verfolgt.
Im Burgenland will die Landesregierung in
erster Linie ungenutztes Bauland und leerstehende Gewerbeimmobilien mobilisieren, in
Sachen Wohnimmobilien sei eine Leerstandsabgabe derzeit „kein Thema“, wie ein Sprecher
der Landesregierung dem STANDARD mitteilt. Auch das Land Oberösterreich will zunachst Brachflächen und ungenutzte Gewer-
Zuständig für die L dsabgaben sind
in Angriff nehmen.
demnächst |edenfalls alleine die Lander. so
wird es in Kürze im Bundes-Verfassungsgesetz stehen. Konkret wird die „Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung von
Wohnraum“ gerade per Verfassungsänderung
in die Zuständigkeit der Länder übertragen.
Nach der Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat in der vergangenen Woche hat am Mittwoch auch der Bundesrat der Änderung zugestimmt. Der Spielraum für die Länder wird dadurch also viel größer; sie können nun auch
der Höhe nach aus dem Vollen schöpfen. Wegen eines Verfassungsgerichtshofs-Entscheids aus den 1980er-Jahren waren sie hier
bisher eingeschränkt. Das erwähnte Urteil betraf eine Leerstandsabgabe in Wien, sie wurde damals aufgehoben. Aktuell wäre zwar die
Wiener SPÖ weiterhin für eine Abgabe, ihr
Koalitionspartner, die Neos, ist aber strikt dagegen. Die Neos haben der Verfassungsänderung im Nationalrat, ebenso wie die FPÖ, deshalb auch nicht zugestimmt. Die Wiener Koalition hat sich aber Ende des Voriahres auf
e|ne Zweitwohnungsabgabe geeinigt, sie ist in
Die auf Bundeset neu einge-
In Kärnten überlegt man aber nun ein wenig intensiver über die Einführung einer Leerstandsabgabe für Wohnungen. Landesrätin
Gaby Schaunig (SPÖ) sagt dazu „grundsätzlich
ja“, die Abstimmung mit Koalitionspartner
ÖVP stehe aber noch aus, zudem eine Abstimmung mit dem Städte- und Gemeindebund
zur konkreten Ausgestaltung. Dazu will man
sich die Modelle in jenen Bundesländern genau anschauen, die schon eine Abgabe eingeführt haben.
Zu den besagten Bundesländern zählen die
Steiermark, Salzburg und eben auch Tirol.
Dort werden die ersten Erfahrungen damit abgewartet. Das gilt auch für Vorarlberg, wo erst
zu Jahresbeginn das Zweitwohnungsabgabegesetz in Kraft getreten ist. Derzeit gilt hier ein
Höchstbetrag von 2775 Euro pro Jahr und
Wohneinheit.
Über die Höhe der Abgaben wird wohl überall diskutiert werden, wo es schon eine Abgabe gibt. Der Tiroler Landeshauptmann Anton
Mattle (ÖVP) sagte kürzlich im ORF-Radio,
dass man jetzt eben „die Möglichkeit hat, etwas mehr zu verlangen“. Das werde man sich
ansehen,
den L tand auch tatsächlich aufzuspüren.
Diesbezüglich wird es in Tirol demnächst
ernst: Bis 30. April ist die Steuerpflicht aus
dem Jahr 2023 erstmals den Gemeinden bekanntzugeben. Wie viele Liegenschaftseigentümer das machen werden, ist aber offen.
Denn die Abgabe ist in Tirol zwar einerseits
eine Muss-Bestimmung für Gemeinden, das
heißt, diese sind verpflichtet, sie einzuheben.
Andererseits ist die Abgabe aufseiten der Abgabenschuldner „bloß“ eine Selbstbemessungsabgabe, das heißt, die Schuldnerin hat
sie selbst zu berechnen und zu erklären und
an die Gemeinde zu entrichten. Die Gemeinden sind also auf die Ehrlichkeit der Menschen angewiesen.
Nur: Vermieterinnen und Vermieter würden manchmal gar nicht wissen, dass sie abgabepflichtig sind. Öfter komme es nämlich
vor, dass Mieterinnen und Mieter Wohnungen
auf touristischen Plattformen ohne Wissen
des Vermieters stellen, oder dass sich die Mieter nicht hauptwohnsitzlich im Meldeamt anmelden. „In so einem Fall, wenn keine Hauptwohnsitzbelegung besteht, wäre die Abgabe
fällig“, erklärt Manfred Hirsch, der Referatsleiter am Innsbrucker Magistrat. Er hat bei
Unklarheiten auch die Möglichkeit, zwei Mitarbeiter schicken zu können, die sich die Lage
direkt vor Ort anschauen.
Sie sind derzeit auch in Sachen Kurzzeitvermietung sehr viel unterwegs. „Viele Leute versuchen jetzt nämlich, durch Privatzimmervermietung die Leerstands- und Freizeitwohnsitzabgabe zu umgehen“, weiß Hirsch,
Eine (entgeltliche) Kurzzentvermnetung ist in
Tirol nur unter g zungen
möglich. „Die Unterschendung‚ was ein Frei-
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Eine Änderung der Verfassung
gibt den Ländern mehr
Handhabe in Sachen
L A
FoLo: Imago
8 —
zeitwohnsitz und was ein Leerstand ist, ist oft
sehr schwierig.“ Am meisten zu „holen“ gebe
es aus dem „Tiroler Freizeitwohnsitz- und
Leerstandsabgabegesetz“, das 2022 beschlossen wurde, aber eben im Segment des Freizeitwohnsitzes, ist sich Hirsch sicher.
Allerdings macht es die Konstruktlon der
Leerstandsabgabe als Selbstb
be den Gemeinden schwer, dem Leerstand auf
den Grund zu gehen. „Das Gesetz ist so nicht
vollstreckbar“, sagt Hirsch. Verwaltungsstrafen für unterlassene Erklärungen sind zwar
möglich, aber Gemeinden, die nicht aktiv
ihren Gebäudebestand bearbeiten, werden
ihn kaum aufstöbern, meint er.
Den Bundesländern wäre es zwar auch
ohne die aktuelle Verfassungsänderung schon
möglich gewesen, amtswegig erhobene Abgaben einzuführen. Allerdings bestanden diesbezüglich starke Zweifel, was den Datenschutz betrifft. Sie bestehen nach wie vor,
auch in der neuen schwarz-roten Tiroler Landesregierung, die erst kürzlich immerhin angekündigt hat, die bestehende Regelung überarbeiten zu wollen. Datenschutzrechtliche
Bedenken will man bis Herbst mit dem Justizministerium klären.
Für Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
wird der Datenschutz nur „als Vorwand instrumentalisiert“, wie sie kürzlich der Tiroler Tageszeitung sagte. Und auch für Hirsch geht der
Datenschutz-Aspekt „etwas am Thema vorbei“. Man arbeite mit Registern, auf die man
als Gemeinde offiziell Zugriff habe; und das
Grundbuch sei sowieso für alle öffentlich. Im
gesamten Prozess der „Berichtigung“ des Gebäudebestands spiele der Datenschutz erst
ganz zum Schluss eine Rolle. Was es aus seiner Sicht bräuchte, seien „Berichtigungen“ der
Register auch für kleinere Gemeinden, angesiedelt etwa auf Landesebene. Zudem müsse
vorab überprüft werden, in welchen Bereich
eine „leerstehende“ Wohnung überhaupt fällt,
bevor der Eigentümer angeschrieben werden
kann - also Leerstands- oder Freizeitwohnsitzabgabe. „Man kann nur für eine Abgabe
belangt werden.“
Kontrollen in Uniform
Kontrollen vor Ort führen die Bediensteten
des Innsbrucker Magistrats stets in Uniform
durch, trotzdem würden Eigentümer, die man
antreffe, „oft uneinsichtig sein“, fallweise
auch „lügen, dass sich die Balken biegen“.
Treffe man in illegalen Touristenunterkünften hingegen Urlauber, sei denen der Umstand, dass sie eigentlich gar nicht hier sein
dürften, „meistens relativ egal“. Eventuell falle die Bewertung des Gastgebers danach
schlechter aus, sagt Hirsch — „was gut ist,
denn das nützt uns indirekt dann auch wieder“. Und wenn man es schaffe, durch eine
Kontrolle aus einem Neben- einen Hauptwohnsitz zu machen, „dann bringt das der
Stadt natürlich auch Geld“, sagt Hirsch - nämlich über den Finanzausgleich.