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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_05_28_Presse_OCR
- S.16
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Tiroler Tageszeitung
„Belastete Straßennamen beschäftigen neuen Beirat“, Seite 22
Belastete Straßennamen
beschäftigen neuen Beirat
Ein Vorstoß von Innsbrucker SchülerInnen, historisch problematische
Straßennamen zu ändern, stößt politisch bereits auf erste Resonanz.
Von Michael Domanig
Innsbruck — Straßen in Innsbruck, die Namen historisch
belasteter Personen tragen,
sollen stattdessen nach verdienten Frauen benannt werden: Mit diesem Vorstoß,
ausgearbeitet in einem fächerübergreifenden Projekt, hat
die 4b-Klasse der Mittelschule Kettenbrücke kürzlich den
„Agnes-Larcher-Preis 2025”
zum Thema Feminismus erobert (die TT berichtete).
In den Fokus rücken damit —- wieder — Adressen wie
die Kemstackstraße (benannt
nach einem deutschnationalen Dichter, der das glorifizierende „Hakenkreuzlied”
verfasste) oder die Burghard-
Breitner-Straße: Der bekannte
Mediziner war in der NS-Zeit
als Klinikvorstand zu Zwangssterilisationen im Sinne des
Regimes ermächtigt und somit
für diese verantwortlich.
‚’ Ich glaube, dass
wir mit dem Beirat
Sür Gedenkkultur in dieser Frage ein gutes Stück
weiterkommen werden.“
Elisabeth Mayr (Fraven- und
Bildungsstadträtin, SPÖ)
In den Reihen der Stadtpolitik stößt die Klasse mit ihrem
Anliegen durchaus auf Resonanz: „Der Appell wird gehört,
ich kann die Motivation sehr
gut verstehen”, sagt Frauenund Bildungsstadträtin Elisabeth Mayr (SPO), die gemeinsam mit Kulturstadtrat Georg
Willi (Grüne) den direkten
Austausch mit den SchülerInnen suchen möchte.
Mayr verweist darauf, dass
der Gemeinderat im April die
Errichtung eines „Beirats für
Erinnerungskultur” in Inns-
Umbenennung statt Zusatztafel? Diese brisante Frage stellt sich in einigen Innsbrucker Straßenzügen. rı sormge/T7
bruck beschlossen hat: Dieser soll eine fachkundige Entscheidung über Gedenk- und
Erinnerungszeichen ermöglichen (etwa die 2022 eingeführten „Zeitpunkte” für Opfer des NS-Regimes) und sich
eben auch der Frage „belasteter” Straßennamen annehmen — samt Empfehlungen
für etwaige Neu- und UmbenennunNgenN.
Das vorgeschaltete Gremium wird mit ExpertInnen besetzt, „die neutral und relativ
autark arbeiten sollen“, betont
Mayr. Ziel sei, das brisante
Thema „auf eine fachlichere
Ebene zu heben, statt spontan
durch politische Mehrheitsbildung etwas in die eine oder
andere Richtung festzulegen“,
meint Willi. Vorbild für den
Gedenkkultur-Beirat ist Wien,
wo man damit gute Erfah-
rungen gemacht habe. Mayr
glaubt, „dass dieser Beirat, der
quasi die wissenschaftliche
Basis für die Neubewertung
von Straßennamen legt, das
richtige Instrument ist und wir
damit ein gutes Stück weiterkommen — auch mit dem Ziel,
verdiente Frauen sichtbarer zu
machen”.
Umbenennung zu aufwändig?
Für Mayr wie Willi ist durchaus vorstellbar, dass einzelne
Straßennamen ersetzt werden könnten. Der Einwand,
wonach eine Änderung der
Wohnadresse für BürgerInnen
mit großem Aufwand verbunden ist, sei nicht von der Hand
zu weisen, räumt Willi ein, es
sei aber eben „nur eines von
mehreren Argumenten“.
Aktuell arbeitet die Stadt
bei diversen problematischen
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Straßennamen mit (einheitlichen) Zusatztafeln, die unter
den Schildern mit biographischen Daten angebracht sind.
Die SchülerIinnen der MS Kettenbrücke sehen diese Praxis
aber kritisch, da von den Tafeln kaum Notiz genommen
werde. Sie plädieren dafür,
neue Wege zu gehen — eben
durch die Benennung nach
historisch bedeutenden Frauen, wie das zuletzt etwa in
Graz schon erfalgte.
Man könnte das Prinzip der
Zusatztafeln auch umdrehen,
merkt Mayr an, also Straßen
umbenennen und „mittels
Zusatztafeln erklären, wie die
Straße früher hieß”.
Fix ist: Die Letztentscheidung zu Straßennamen liegt
bei der Politik. Sie kann Empfehlungen des neuen Beirates
folgen oder auch nicht.