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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_08_5_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„Großfamilie hat nur zwei Zimmer“, Seite 19
Großfamilie hat nur zwei Zimmer
Das Land lehnte es ab, den Wohnungsnotstand in Innsbruck zu verordnen. Das
„Bündnis gegen Armut und Wohnungsnot“ und die ÖH kritisieren die Entscheidung.
Innsbruck —- 2315 Personen
oder 1,74 Prozent der Innsbrucker Bevölkerung haben
einen konkreten Wohnungsbedarf. Zu wenig, um in der
Landeshauptstadt den Wohnungsnotstand zu verordnen,
befand das Land Tirol - die TT
berichtete. Nach der harschen
Kritik aus der Stadtpolitik folgen nun soziale Einrichtungen
und die ÖH der Uni Innsbruck.
Das „Bündnis gegen Armut
und Wohnungsnot — Tirol“
‚ ‚ 800 Euro für
weniger als 30
Quadratmeter ist mittlerweile leider keine
Ausnahme mehr.“
Magdalena Melcher
(DOWAS)
schildert in seiner Aussendung
einen besonderen Härtefall:
Drei schulpflichtige Kinder
und ihre Eltern leben in einer
Zweizimmerwohnung mit 60
Quadratmetern. Es gibt keine
Rückzugsorte, keine Privatsphäre. Die Bausubstanz der
Wohnung ist schlecht, die
Wände sind ständig feucht.
Der befristete Mietvertrag läuft
in acht Monaten aus.
Diese prekäre Situation sei
kein Einzelfall, sondern nur ein
Beispiel von vielen, die für die
Berechnung des Wohnungsnotstandes vom Land nicht berücksichtigt wurden. So seien
alle Personen, die die Kriterien
für einen Anspruch auf eine
Stadtwohnung nicht erfüllen,
nicht herangezogen worden.
Dazu gehören zum Beispiel
Personen, die noch keine fünf
Jahre in Innsbruck leben. Die
rund 800 Personen, die im vergangenen Jahr in den Innsbrucker Notschlafstellen, Wohnungslosenunterkünften und
Frauenhäusern lebten, wurden
ebenfalls nicht erfasst. Auch
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nicht die vielen Menschen, die
sich an Beratungsstellen der
Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe wenden. Allein bei
lilawohnt in Innsbruck, einem
Sozialverein für Frauen, sind
jährlich rund 300 Frauen und
bis zu 100 Kinder statistisch als
wohnungslos erfasst.
„Der Großteil der Wohnungssuchenden braucht
keine sozialarbeiterische Unterstützung, sondern lediglich eine leistbare Wohnung“,
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In der vergangenen Jahren wurde in Innsbruck immer wieder wegen der Wohnungsnot demonstriert. Archivfoto: Böhm
sagt Magdalena Melcher von
der Sozialberatungsstelle DO-
WAS. Die wohnpolitischen
Versäumnisse der Vergangenheit von Land und Gemeinden führten dazu, dass nicht
nur Menschen mit geringem
Einkommen um die wenigen
leistbaren Wohnungen am privaten Wohnungsmarkt konkurrieren. Auch für Familien
seien diese kaum zu finden.
„800 Euro für weniger als 30
Quadratmeter ist mittlerweile
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leider keine Ausnahme mehr.
Das sind Verhältnisse, die Armut hervorbringen und manifestieren“, sagt Magdalena
Melcher weiter. Zu lange sei
der Fokus auf der Schaffung
und Sanierung von Eigentum gelegen, zu wenig auf
der Schaffung von leistbaren
Mietwohnungen.
„Gutes Wohnen, leistbares
Wohnen, ist die Basis für Gesundheit, Bildung, Stabilität,
Sicherheit und vieles mehr“,
sagt Julia Schratz von lilawohnt. „Leistbares Wohnen
kann nur über leistbares Mieten und über gemeinnützigen
Wohnbau erreicht werden. Die
Hebel sind bekannt, es gilt sie
entsprechend anzusetzen.“
Das Land sei immer sehr zurückhaltend gewesen, wenn
es darum ging, im Rahmen
der überörtlichen Raumordnung Eingriffsmöglichkeiten
in die Gemeindeautonomie
zu nutzen bzw. zu schaffen.
‚ Gutes Wohnen,
leistbares Wohnen,
ist die Basis für Gesundheit, Bildung, Stabilität
und Sicherheit.“
Julia Schratz
(lilawohnt)
„Eine langjährige Forderung
von sozialen Einrichtungen
nach landesweit einheitlichen Mindeststandards und
verbindlich umzusetzenden
Wohnungsvergaberichtlinien
mit dem Fokus auf Menschen
mit einem dringenden Wohnbedarf - auch über Gemeindegrenzen hinweg - wurde nicht
umgesetzt.“
Kritik auch von der ÖH
Bestürzt zeigte sich die ÖH Uni
Innsbruck über die Entscheidung des Landes. Diese basiere
auf einer Berechnung, die den
tatsächlich Wohnungsbedarf
nicht ausreichend berücksichtige. „Es ist inakzeptabel,
dass die Bedürfnisse der Studierenden in dieser Rechnung
komplett außer Acht gelassen
wurden“, sagt Sophia Neßler, Vorsitzende der ÖH Uni
Innsbruck. Tagtäglich kämen
verzweifelte Studierende zur
Beratung, weil sie sich die hohen Mieten nicht mehr leisten
können, hieß es zudem von
Seiten der ÖH. (smo)