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Tiroler Tageszeitung

„Ehrung für ‚Tirols Stauffenberg‘“, Seite 6

Ehrung für „ Tirols Stauffenberg“

Spät als Held gewürdigt: Die Enkelin von Widerstandskämpfer Robert Bernardis über das Trauma ihrer
Familie, Anfeindungen und jahrzehntelanges Schweigen. Heute wird in Innsbruck eine Gedenktafel enthüllt.

Von Michaela S. Paulmichl

Innsbruck - Wer war Robert
Bernardis? Ingeborg Heidlberger war etwa 16 Jahre alt,
als sie in einer Bücherei in
einem Lexikon den 20. Juli
1944 nachschlug - den Tag
des Attentats auf Adolf Hitler.
Zuhause bei der Großmutter gab es zwar dieses Foto,
und als sie einmal neugierig
nachfragte: „Du, wer ist denn
das?“, habe diese gesagt: „Das
ist dein Großvater.“ Doch weder die alte Dame noch ihre Tochter Lore - Ingeborgs

Da ist dann einfach
geschwiegen worden, weil man gedacht
hat, man kann das so
besser überstehen.“

Ingeborg Heidlberger
(Enkelin)

Mutter —- sprachen viel über
die Geschehnisse, die 1944
vieles hätten verändern sollen und an denen der Mann
auf dem Bild zuhause beteiligt war. Die Verschwörung
scheiterte schließlich, Hitler
überlebte die „Unternehmen
Walküre“ genannte Geheimoperation leicht verletzt. Die
Auswirkungen für die Beteiligten und deren Familien
aber waren schrecklich und
wirkten Jahrzehnte nach.

Die Stimme ihres Großvaters hörte die heute 65-Jährige zum ersten Mal, als sie sich
Filmaufnahmen ansah, die
während der Verhandlung vor
dem nationalsozialistischen
Volksgerichtshof in Berlin
entstanden waren. „Das war
der erste große Schock“, erzählt sie über ihre damalige Spurensuche. „Wie er mit
den anderen Angeklagten von
Richter Roland Freisler verhört und beschimpft worden
war. Und wie sie diesem Gebrüll- denn anders kann man

das nicht nennen - Rede und
Antwort stehen mussten.“
Am 8. August 1944 wurde
Robert Bernardis im Alter von
36 Jahren in Berlin verurteilt
und noch am selben Abend
gehängt. Wegen der Sippenhaftung kam seine Frau Hermine ins KZ Ravensburg, die
Kinder Lore (6) und Heinz
(4) wurden im Kinderheim in
Bad Sachsa interniert. Aber
auch wenn es nach Kriegsende ein Wiedersehen der beiden mit der Mutter gab und
das Leben für die drei weitergehen konnte: Das Stigma der
Eidbrecher-Familie blieb und
beeinträchtigte ihr Dasein.

Die Kinder des Verräters

Ihr Onkel wurde in der Schule jahrelang von einem Lehrer schikaniert, erzählt Ingeborg Heidlberger. Einmal
habe sie ihre Mutter gefragt:
„Warst du eigentlich stolz
auf deinen Papa?“ Die Antwort lautete: „Nein, wir
waren die Kinder eines Verräters.“ Das
Leben war schwer,
und dann war da
natürlich die Verzweiflung der
35-jährigen Hermine Bernardis,
die nicht über
das große Risiko
sprechen wollte, das ihr Mann
ganz bewusst
eingegangen war.
Nicht über die
ganz besondere
Tat oder den Heldenmut. „Da
ist dann einfach geschwiegen
worden, auch weil man geglaubt hat, man kann das alles
—- den so großen Schmerz - auf
diese Art am besten überstehen.“

Rehabilitierung sehr wichtig

Auch noch viele Jahre später
hätten die Attentäter vom 20.
Juli als Eidbrüchige gegolten.
Heidlberger: „Sie haben ja alle einen Eid auf Hitler geleistet. Heute denkt man anders
darüber, aber früher herrschte die Meinung, sie hätten aus
diesem Grund unehrenhaft
gehandelt.“

Die Rehabilitierung kam
sehr spät, erst im Jahr 2018
wurde nach einem Antrag
der Enkelin beim Landesge-

richt für Strafsachen Wien
der Beschluss dafür gefasst.
Diese Wiederherstellung der
Ehre - wenn auch überaus

ROBERT BERNARDIS
# 7 August 1908

*8 August 1944

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spät - sei auch für die Familie sehr wichtig gewesen. Als
Heidlberger erfuhr, dass nun
— 80 Jahre nach dem Tod ih-

Innsbruck (3).

res Großvaters - an
dessen Geburtshaus
in der Schillerstraße
3 in Innsbruck eine

Gedenktafel ange-

bracht werden soll,
Wwar sie sehr überrascht: „Und
ich bin der Gemeinde Innsbruck dafür sehr dankbar.“
Aus diesem Anlass kommt die

Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurde Robert
Bernardis heute vor 80 Jahren dem Volksgericht vorgeführt
(1) und noch am gleichen Tag gehängt. Seine Kinder Lore und
Heinz (2) wurden in einem Heim untergebracht. Ernst Öfner bei
der Anbringung der Gedenktafel an Bernardis’ Geburthaus in

Fotos: Robert Bemardis/ORF/Epo Film, privat/Heidlberger, Öfner

in Linz lebende Bernardis-
Enkelin mit ihrem Mann und
ihrem Neffen nach Innsbruck.
„Das ist uns ganz wichtig,
dass auch die nächste Generation mit dabei ist“, erzählt
sie. Schließlich war es ein langer Weg, bis Robert Bernardis auch in seiner Familie der
Held sein konnte, der er war.

Innsbruck - Andreas Novak,
auf den die Initiative für die
Errichtung der Gedenktafel
in Innsbruck zurückgeht,
führt die lange Ächtung und
späte Rehabilitierung von
Widerstandskämpfern wie
Robert Bernardis unter anderem auf die Aufnahme
früherer Waffen-SSler beim
österreichischen Bundesheer zurück. Alte Werte wie
Pflichterfüllung wurden

weiter hochgehalten, so genannte Eidbrecher galten
weiterhin als Verräter.
Dabei gebe auch eine Verpflichtung des Eidnehmers
— also von Adolf Hitler —, keine Verbrechen zu befehlen
und auch keine Angriffskriege und Massenmorde anzuordnen, so der frühere ORF-
Wissenschaftsjournalist.
Im Gegensatz zu anderen
habe sich die Stauffenberg-

Treue-Eid sehr spät in Frage gestellt

Gruppe dieser Frage gestellt. „Man konnte ja nicht
anders“, hätten viele in den
Nachkriegsjahren außerdem
immer wieder auf den Befehlsnotstand hingewiesen.
Novak: „Dass man anders
konnte, das hat Bernardis
bewiesen.“

Dieser war anfangs Teil
der Wehrmacht und damit
in den verbrecherischen
Krieg verstrickt, vollzog aber

schließlich eine mentale
Wende, als ihm die Menschenverachtung des NS-
Regimes klar wurde.

Der gebürtige Tiroler lernte Claus von Stauffenberg in
Berlin kennen. Bernardis’
Beitrag zur Durchführung
des Hitler-Attentats „Operation Walküre“ bestand in der
Mobilisierung der Kampfverbände in Wien und im
Raum Berlin. (ms, TT)

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