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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_09_3_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„Viel Theater schon vor dem Saisonstart‘“, Seite 14
Viel Theater schon
vor dem Saisonstart
Das zerstrittene Führungsduo des Landestheaters musste am Montag
zum Krisengespräch bei Stadt und Land. Weitere werden folgen.
Von Joachim Leitner
Innsbruck - Zum Start ihrer
ersten gemeinsamen Spielzeit vor einem Jahr gaben
Landestheater-Intendantin
Irene Girkinger und der kaufmännische Direktor des Hauses, Markus Lutz, der eigenen
Presseabteilung ein Doppelinterview. Lutz bemühte darin das Bild einer Seilschaft im
Gebirge: „Den Gipfel schafft
man nur gemeinsam.“
Von diesem „gemeinsam“
kann im Vorfeld der nächsten Spielzeit keine Rede mehr
sein. Überhaupt, so wird es
kolportiert, reden Girkinger
und Lutz nur noch miteinander, wenn es sich nicht
verhindern lässt. Und selbst
dann, heißt es, gehe es kaum
ohne vermittelnde Beisitzer.
Vorerst keine Konsequenzen
Auf solche musste das zerstrittene Führungsduo am
späten Montagnachmittag
verzichten. Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP)
und Innsbrucks Bürgermeister Johannes Anzengruber haben Girkinger und Lutz zum
Krisengespräch ins Landhaus
zitiert. Über den Inhalt wurde Stillschweigen vereinbart.
Es galt, so viel war vorab in
Erfahrung zu bringen, abzuklären, ob sich das Zerwürfnis
noch kitten lässt. Können Girkinger und Lutz noch miteinander? Wollen sie überhaupt?
Wer kann was zur Befriedung
des Konflikts beitragen? Wer
ist zu welchen Zugeständnissen bereit? Mit diesen Fragen
wollten Landeshauptmann
und Bürgermeister in den
„Krisengipfel“ gehen.
Mattle hat, wie sein Büro
gestern Vormittag bestätigte,
in den vergangenen Tagen
mehrere lange Gespräche mit
Teilen der Theaterbelegschaft
geführt. Es sei vornehmlich
darum gegangen, sich ein eigenes Bild der „verfahrenen
Situation“ zu machen. So-
Die Beziehung zwischen Irene Girkinger und Markus Lutz ist mehr als belastet.
Ob sie eine Zukunft hat, war gestem Thema eines „Krisengipfels“.
wohl er als auch Anzengruber unterstreichen, dass die
Diskussion „ergebnisoffen“
geführt werde. Es gehe um
das Wohl des Hauses. Für
die Eskalation gebe es weder
einen eindeutig Schuldigen
noch eine eindeutig Schuldige. Personelle Konsequenzen stehen zwar im Raum,
dass diese unmittelbar vor
Beginn einer neuen Spielzeit
kommuniziert oder gar gezogen werden, ist aber unwahrscheinlich. Dem gestrigen
Gespräch werden in den weitere folgen.
Weder Lutz, dessen Vertrag am Landestheater noch
bis Herbst 2025 läuft, noch
Girkinger wollten die Causa
zuletzt öffentlich kommentieren. Der Eindruck, dass
sie von der Politik — in ihrer
Funktion als Gesellschafter
von Tirols größtem Kulturbe-
Foto: Springer
trieb - ein „Machtwort“ fordern, erhärtete sich trotzdem.
Lutz forderte Kurskorrektur
Im Kern des Konflikts steht
der Kurs des Theaters. Markus
Lutz ist seit Oktober 2015 kaufmännischer Direktor des Landestheaters. Irene Girkinger
folgte im Herbst 2023 auf den
langjährigen Intendanten Johannes Reitmeier. Sie trat an,
um Neues zu wagen. Mit einem entsprechenden Konzept
hat sie sich gegen 44 MitbewerberInnen um den Posten
durchgesetzt. Lutz, das gab er
jüngst in einem T7T-Interview
zu Protokoll, verstehe sich
nicht zuletzt als „Bewahrer“.
In einem knapp 80-seitigen
Schreiben an Stadt und Land
machte er sich für eine Kurskorrektur stark — und beklagte chaotische Zustände. Auch
Girkinger stellte ihre Sicht
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der Dinge schriftlich dar. Sie
verwies darauf, dass der von
ihr forcierte Transformationsprozess erst am Anfang stünde — und ihre Bereitschaft,
Fehler zu korrigieren, ungebrochen sei.
Die letzten Reitmeier-Jahre
waren, trotz pandemischer
Herausforderungen, Wwirtschaftlich erfolgreich. In Girkingers erster Spielzeit gingen
Zuschauer- und Abonnentenzahlen deutlich zurück.
Die Einnahmen sind um Eeine halbe Million Euro gesunken. Mit einem Rückgang war
gerechnet worden, doch die
konkreten Zahlen haben die
Prognosen überschritten.
Stadt und Land finanzieren
den laufenden Betrieb des
Theaters. Rund 30 Millionen
Euro decken die laufenden
Kosten. Das Budget für Produktionen sollte das Haus
aber selbst erwirtschaften. In
den nächsten Jahren wird also der Rotstift Regie führen.
Der Machtkampf um das
Landestheater überschatte derzeit auch die Arbeit im
Haus. Mehrere Produktionen gehen dieser Tage in die
Endproben. Mit der österreichischen Erstaufführung von
Georg Friedrich Haas’ Oper
„Liebesgesang“ wird die Spielzeit 2023/24 am 13. September
in den Kammerspielen eröffnet. Erstmals kommt damit
ein Libretto des vielfach ausgezeichneten Tiroler Autors
Händl Klaus im Landestheater auf die Bühne. Im Großen
Haus folgt tags darauf die Uraufführung von „Verlangen“,
dem jüngsten Theatertext der
Tiroler Nestroy-Preisträgerin
Lisa Wentz. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann nicht nur
auf die Bühne, sondern bisweilen in die Loge der Intendanz geschaut wird, ist groß.
Das traditionelle Fest zum
Saisonstart ist für den 22. September angekündigt. Ob bis
dahin echte Feierstimmung
aufkommt, ist fraglich.