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Jahr: 2025

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Tiroler Tageszeitung

„‚Kriminell werden wollte ich nicht, also ging ich sammeln‘““, Seite 2, 3

„Kriminell werden
wollte ich nicht, also
ging ich sammeln“

Mit dem Pfand kommen auch die Sammler. Ein
Mann, der in Innsbrucks Müllkübeln nach Flaschen

und Dosen fischte, erzählt von seinen Erfahrungen.

Von Benedikt Mair

Innsbruck — Als die Mitarbeiter der Müllabfuhr, die
von Amts wegen zu den
Frühaufstehern gehören,
langsam aus den Federn
krochen, war Jonas Wagner schon eine Zeit lang
auf Achse. Er musste, um
ihnen zuvorzukommen.
„Spätestens um vier Uhr
morgens ging ich los, hab’
meistens an der Stadtgrenze bei Rum angefangen und bin dann quer
durch Innsbruck bis zur
Karwendelbrücke gelau-

‚ Was blieb mir

anderes übrig?
Irgendwie musste ich
ja Geld verdienen -
und plötzlich lag es
auf der Straße.“

Jonas Wagner
(Pfandsammler)

fen“, sagt er. „Ungefähr
30 Kilometer jeden Tag,
das war meine Strecke.“

Wagner, bald 50 Jahre
alt, stammt ursprünglich
aus Deutschland, war
bis vor Kurzem obdachlos und heißt eigentlich
anders. Er will anonym
bleiben, denn der Grund
für seine ausgedehnten
Touren entlang der Straßen und Gassen der Tiroler Landeshauptstadt
ist schambehaftet: das
Pfandsammeln.

Seit Anfang des Jahres
hat Österreich ein neues Pfandsystem, 25 Cent
gibt es pro Dose und
Flasche. Und mit seiner
Einführung tauchten jene auf, die auf die Suche
nach den Gebinden gingen. Dazu gehört auch
Jonas Wagner. „Was blieb
mir anderes übrig? Vom
Staat bekam ich keine
Unterstützung. Kriminell

werden wollte ich nicht,
also ging ich sammeln.
Irgendwie musste ich ja
ein wenig Geld verdienen
- und plötzlich lag es auf
der Straße“, sagt er. Aber
nicht nur. „Ich hab’ auch

Seite 4 von 17

* ;

Wie viele Menschen in Tirols Mülleimern nach Pfandgebinden fischen, weiß niemand so genau.

in jeden Mülleimer gegriffen.“ Anfangs nahm
er damit zwischen 30 und
50 Euro ein, an guten Tagen jedenfalls. Woche um
Woche wurde es jedoch
weniger. „Weil immer

mehr Leute auf den Zug
aufgesprungen sind.“
Wie viele Menschen
hierzulande Dosen und
Flaschen auflesen, die andere gedankenlos weggeworfen haben, weiß nie-