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Jahr: 2025

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Tiroler Tageszeitung

Seit Anfang des Jahres hat ihre Zahl aber stark zugenommen.

mand so genau. Ihre Zahl
aber steigt, auch in Tirol,
weiß Michael Hennermann, Geschäftsführer
des Vereins für Obdachlose. „Unsere Streetworker
berichten, dass das zunimmt“, sagt er. „Gesammelt wurde zwar schon
vorher, doch jetzt, wo es
25 Cent dafür gibt, lohnt
sich das eher.“ Wobei
„lohnen“ relativ sei. „Niemand wird damit reich,
wer das tut, macht es aus
einer Not heraus.“

Sind die, die in Abfalleimern nach den Gebinden
fischen, also ein Symbol
für das Elend in unserer
Gesellschaft? Nein, sagt

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’ In meiner
Forschung bin
ich auf viele Leute
gestoßen, die nicht
auf diese Einnahmen
angewiesen sind.“

Sebastian J. Moser
(Soziologe, Uni Tübingen)

Sebastian J. Moser. Der
Soziologe von der Universität Tübingen hat das
Phänomen in deutschen
Städten untersucht, wo
es schon viele Jahre zum
Straßenbild gehört, und
auch ein Buch darüber geschrieben. „Der
Pfandsammler ist die

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perfekte Figur, um eine
vermeintlich totale Verarmung eines reichen
Landes darzustellen“,
sagt er. „Und natürlich
gibt es in dieser Gruppe
auch Menschen, die das
Geld dringend brauchen.
In meiner Forschung bin
ich aber auf viele Leute
gestoßen, die nicht auf
diese Einnahmen angewiesen sind.“

Manche begäben sich
auf die Jagd nach Dosen
und Flaschen, weil sie damit ihre Sammelleidenschaft befriedigen würden, für andere stehe der
Umweltaspekt an erster
Stelle. Manchen biete die

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Seite 5 von 17

Tätigkeit eine Möglichkeit, ihren Tag zu strukturieren, sagt Moser. Häufig
seiauch der Wunsch nach
sozialen Kontakten ausschlaggebend dafür, sich
auf die Suche nach den
Gebinden zu begeben.
„Wer sich einsam fühlt,
kann mit anderen in Kontakt kommen“, meint der
Wissenschafter. „Das Fragen nach dem Pfand. Die
Übergabe der Flasche.
Ein kleiner Schwatz dabei. So wird das Bedürfnis an sozialer Interaktion
gestillt.“

Ins Bild passt da auch
das, was Alban Knecht,
Professor an der Bertha von Suttner Privatuniversität in St. Pölten,
herausgefunden hat.
„Pfandsammler sind normalerweise Einzelgänger,
oft Frührentner und entgegen dem allgemeinen
Glauben meist gar nicht
obdachlos“, sagt er. „Viele, mit denen ich gesprochen habe, gaben an, dass
sie das wenige erwirtschaftete Geld in Kaffee
oder kleine Geschenke
für ihre Enkel investiert
haben. Große Sprünge
macht jedenfalls keiner,
allein davon leben kann
sowieso niemand.“

Sozialwissenschafter
Knecht warnt davor, die
Sammler - und wenigen Sammlerinnen —- zu
stigmatisieren. „Leider
werden diese Leute gesellschaftlich geächtet,
obwohl sie eine positive,
ökologisch wertvolle Arbeit erledigen.“ Ohne sie,

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die auf den Straßen die
Gebinde auflesen, bräche
das gesamte Recycling-
Konzept zusammen.

Das sieht auch sein Kollege Sebastian J. Moser so.
„Der Erfolg des Pfandsystems ruht auf den Schultern dieser Menschen.
Anerkennung erhalten sie
dafür keine“, sagt er.

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Leider werden
diese Leute gesellschaftlich geächtet, obwohl sie eine
ökologisch wertvolle
Arbeit erledigen.“

Alban Knecht
(Soziologe, Uni St. Pölten)

Manchmal sei er bei
seinen Touren durch
Innsbruck schon abfällig angeschaut worden,
sagt Pfandsammler Jonas
Wagner. „Beschimpft oder
gar angegriffen wurde ich
aber nie. Wohl auch, weil
ich nie richtig verwahrlost
unterwegs war.“ Vor ein
paar Tagen hat Wagner eine Anstellung in Tirol gefunden. Inzwischen muss
er nicht mehr Flaschen
und Dosen aus dem Müll
fischen. Und er hofft, es
nie wieder tun zu müssen.