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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_05_20_Presse_OCR
- S.39
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Salzburger Nachrichten
„So hat der Song Contest Wien geprägt“, Seite 9
So hat der Song Contest Wien geprägt
Nach dem Sieg von Conchita Wurst fand 2015 der Song Contest in Wien statt. Was hat das mit der Stadt gemacht? Wovon
profitiert sie noch heute? Und inwiefern zahlt es sich aus, so viel Geld für eine Großveranstaltung in die Hand zu nehmen?
MARIA ZIMMERMANN
IRIS BURTSCHER
WIEN. Wien ist geeicht, was Großveranstaltungen betrifft. 6000 Kongresse und Firmentagungen finden
hier pro Jahr statt — mitunter mit
20.000, ja sogar 30.000 Teilnehmern. Die Austragung des Song
Contests im Jahr 2015 in der Bundeshauptstadt war dennoch außergewöhnlich. Und das Großereignis
prägt die Stadt bis heute. Am sichtbarsten durch jene Ampelpärchen,
die damals anlässlich des Song Contests — und darauffolgender Events
wie Life Ball und Regenbogenparade — an Dutzenden Fußgängerübergängen in der Stadt montiert wurden. Sollten sie ursprünglich nur als
temporäres Zeichen für Gleichberechtigung eine Zeit lang bleiben,
sind sie aufgrund der großen Resonanz geblieben. Nach wie vor
leuchten die drei Sujets — ein
schwules, ein lesbisches und ein heterosexuelles Paar — in Rot und
Grün. Und das nicht nur in Wien.
Das Projekt fand Nachahmer im Inund Ausland, von Salzburg bis nach
London und Canberra wurde die
Idee exportiert.
Der Song Contest habe der Stadt
aber vor allem unglaubliche Publi-
Werbewert in der Höhe
von 100 Millionen Euro
city gebracht, sagt Walter Straßer
von Wien Tourismus. „Wenn ein
Event global ausgestrahlt wird, ist
das einfach eine tolle Imagegeschichte, die man sonst nicht
kriegt“, sagt er. Außer beim Neujahrskonzert. „Insofern war Wien ja
immer schon die Stadt der klassischen Musik. Mit dem Song Contest
hat Wien dann auch bei kontemporärer Musik aufgezeigt — und das
hat die Stadt nachhaltig geprägt“,
betont er. Hinzu komme, dass Wien
zwar für die Homosexuellen-Com-
munity schon zuvor ein interessantes Reiseziel gewesen sei. „Aber der
ESC hat sicher unterstützt, dass
Wien zu einem Hotspot wurde“,
betont er. Man habe „damals einfach den gastfreundlichsten Song
Contest machen“ und Wien als
weltoffene Stadt präsentieren wollen. „Und das ist uns auch gelungen.“
Die Finanzierung der Veranstaltung stemmen üblicherweise großteils die jeweilige Rundfunkanstalt
und die Gastgeberstadt. Hinzu
kommen staatliche Mittel und der
Ticketerlös. In Basel wurden rund
64 Mill. Euro an Kosten veranschlagt. 37,3 Mill. Euro übernahm
die Stadt Basel, 21,3 Mill. Euro die
Schweizer Rundfunkanstalt SRG.
5,3 Millionen kamen von der European Broadcasting Union (EBU).
In Wien fielen 2015 mit 26 Millionen Euro deutlich weniger Kosten
an. Der ORF bezifferte die Gesamtnettokosten mit 14,4 Mill. Euro. Die
Stadt Wien schulterte knapp 12 Millionen Euro. Laut Berechnungen
ROLAND SCHLAGER
j;
der Ökonomen vom Institut für Höhere Studien (IHS) waren die Rückflüsse weit höher: Demnach generierte das Ereignis eine Bruttowertschöpfung von 38,1 Millionen Euro,
wovon mit 27,8 Millionen Euro der
Großteil auf Wien entfiel. 562 Arbeitsplätze seien geschaffen oder
gesichert worden. 16 Millionen Euro seien über Steuern und Abgaben
in das öffentliche Budget zurückgeflossen. Am stärksten profitiert hätten Gastronomie und Tourismus sowie Kultur. Der Imagegewinn wurde
mit einem Werbewert von 100 Mill.
Euro angegeben. Neben 200 Millionen Zuschauern vor den Bildschirmen und den Tausenden Besuchern
aus aller Welt reisten auch rund
1500 Journalisten an, die nicht nur
über den Song Contest, sondern
auch über das Leben in Wien und
Österreich berichteten. „Sowohl
kurz- als auch langfristig profitiert
der Tourismus am stärksten“, sagt
Klaus Weyerstraß vom IHS. Die Effekte müsse man aber vorsichtig interpretieren: Einerseits laufe der
Tourismus in Österreich auch ohne
Song Contest derzeit gut. Andererseits würden durch Großevents in
dieser Zeit auch andere Gästegruppen verdrängt werden — die sich
dann womöglich eine andere Stadt
für den Wochenendtrip suchen.
Wertschöpfungsstudien zu den
Ökonomischen Effekten wurden
auch in anderen Ländern erstellt.
Das Ergebnis: Der Song Contest
bringt mehr, als er kostet. Allerdings schultern die Kosten andere
als jene, die davon profitieren. Die
Hauptlast trägt in der Regel der ausrichtende öffentlich-rechtliche
Sender des Gastgeberlandes.
In Liverpool, das 2023 den ESC
ausrichtete, wurden die Effekte besonders gründlich untersucht und
auch längerfristige Auswirkungen
beleuchtet. Der Tourismus profitierte dort auch ein Jahr später noch
deutlich. So hätten zahlreiche ESC-
Fans die Stadt ein weiteres Mal be-
ESC: Die Last einer technischen Wunderübung
Wo wird gesungen? Wer zahlt? Und warum haben andere Länder schon einmal Nein gesagt?
BERNHARD FLIEHER
SALZBURG. Nach dem Sieg ist vor
dem Rechnen — für Song-Contest-
Gewinner JJ mit einer flotten Karriere, für die Veranstalter beim ORF
mit den Millionen: Wie die Finanzierung der Veranstaltung im kommenden Jahr aussehen wird, darüber gibt es noch keine Angaben.
Wie viel Geld man zusammenbringen muss, das wird auch sehr von
der Größe des Ereignisses abhängen. Vor zehn Jahren betrug bei der
Ausrichtung des ESC das Budget
26 Millionen Euro.
Klar ist: Der ORF wird als Veranstalter nicht die ganze Last allein
stemmen müssen, denn auch der
Austragungsort wird in seine Kasse
greifen müssen. Die Vergabe an einen Austragungsort in Österreich
wird also durchaus davon abhängig
sein, wie viel Städte oder auch Bundesländer bereit sind, dazuzuzahlen.
Bei der Suche nach einem Austragungsort —- dafür wird es eine offizielle Ausschreibung geben — geht es
weniger um provinzielle, lokalpatriotische Identitätsfragen. Es geht
zunächst vor allem um die technische Machbarkeit. Zu diesen Anforderungen zählt ganz profan dann
etwa auch die Größe einer Halle
oder die Last, die ein Hallendach
tragen kann. Der Song Contest
nämlich stellt in Hinblick auf seine
Bühne stets den (Hightech-)State of
Zunächst muss die Halle
alle Stückerl spielen
the Art dar, ja, manche technische
Spielerei wird hier erstmals gezeigt.
In Österreich verfügen — wegen
ihres Fassungsvermögens — nur drei
Hallen über diese Voraussetzungen:
die Wiener Stadthalle (maximal
16.000 Zuschauer), die Grazer
Stadthalle (11.000) und die Olympiahalle in Innsbruck (maximal
12.000). In jedem Fall sind die Hallen für mehrere Wochen für den
Auf- und Abbau für alle anderen
Veranstaltungen unbespielbar. In
Basel dauern Auf- und Abbau rund
45 Tage. Bis wann über den österreichischen Austragungsort eine Entscheidung fallen wird, ist ebenfalls
noch nicht klar.
Nach dem Sieg von Conchita
Wurst im Mai 2014 dauerte es bis in
den Sommer, ehe Wien als Bühne
ausgesucht worden war. Nach 1967
(nach dem Sieg von Udo Jürgens)
war Wien damals zum zweiten Mal
Ort des ESC. Udo Jürgens hatte 1966
in Luxemburg gesiegt, das einige
Jahre später nach einem Sieg die
Austragung abgab. Es ist nämlich
auch möglich, Nein zu sagen, wenn
es um die Austragung des Wettsingens geht.
Das erste Land, das nach einem
Sieg auf die Austragung verzichtet
hatte, war Monaco (1971). Daher
fand der Contest 1972 in Edinburgh
statt. Auch danach war Großbritannien stets bereit einzuspringen. Das
passierte schon 1974, als sich Luxemburg nach dem zweiten Sieg in
Folge außerstande sah, das Event zu
finanzieren. Im Ersatzort Brighton
gab es dann einen der nachhaltigsten Siege in der ESC-Geschichte.
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Mit „Waterloo“ begann die Weltkarriere von Abba. Einmal musste auch
Israel (ebenfalls nach dem zweiten
Sieg in Folge) verzichten. Finanzielle Gründe waren für die Absagen
ein Grund, aber auch, dass sich im
Fall von Monaco die staatliche TV-
Anstalt technisch und personell außerstande sah, das Ereignis zu realisieren. Im Fall von Israel gab es auch
einen politischen Grund. Das geplante Datum für den ESC 1980 fiel
zusammen mit dem Gedenktag Jom
HaSikaron (einem Gedenktag für
gefallene Soldaten). In Israel wurde
entschieden, dass man daher nicht
nur keinen Wettbewerb austragen
könnte, sondern man verzichtete
auch auf die Teilnahme in Den
Haag, das eingesprungen war.
Die letzte Verlegung in ein anderes als das Siegerland hatte vor drei
Jahren keine finanziellen Gründe.
Es war der Krieg gegen Russland,
der es der Ukraine unmöglich gemacht hatte, den Bewerb nach dem
Gewinn durch das Kalush Orchestra
auszutragen. Liverpool sprang damals ein.
reist. Die langfristigen Auswirkungen auf Jobs seien indes geringer als
angenommen.
Einen Finanzskandal löste der
Song Contest in Kopenhagen aus,
bei dem Conchita Wurst den Sieg
holte: Die Veranstalter gaben
45 Millionen Euro aus und überzogen das Budget massiv. Noch tiefer
hatte bis dahin nur Aserbaidschan
in die Tasche gegriffen: Neben 60
Mill. Euro Kosten für das Großevent
2012 in Baku wurde für 100 Mill. Euro die eigene Veranstaltungshalle
„Crystal Hall“ gebaut.
Wo der Song Contest 2026 über
die Bühne geht, ist noch offen. Die
Wirtschaftskammer Wien wirbt um
eine erneute Austragung in der
Hauptstadt: „Die Austragung des
Veranstaltungsort Wien?
„Es ist alles da“
ESC 2026 ist eine unglaubliche
Chance für Wien, die wir uns nicht
entgehen lassen sollten“, sagt Präsident Walter Ruck. Schon 2015 seien
die Wiener Hotels ausgebucht gewesen. „In den letzten Jahren ist
aber die Zahl der verfügbaren Zimmer in Wien stark gewachsen - wir
haben heute rund 18.000 Betten
mehr im Angebot. Dadurch wäre die
Umsatzsteigerung für die Hotellerie
durch mehr Gäste noch größer.“
Der Song Contest 2014 habe bereits gezeigt, dass Wien Großveranstaltungen dieses Formats problemlos durchführen könne, betont man
bei Wien Tourismus. Man habe mit
dem Rahmenprogramm für Tausende Medienvertreterinnen und Medienvertreter sowie Länderdelegierte auch „ein bisschen einen
neuen Standard gesetzt“. Es sei „alles da“ für eine erneute Austragung:
insgesamt 82.000 Hotelbetten, Gastronomie, gute Flug- und Bahnverbindungen, sagt Walter Straßer.
„Das gibt uns auch für 2026 gute
Karten in die Hand.“
KURZ GEMELDET
Russland wirbt wieder
für seinen Gegen-ESC
MOSKAU. Russland trommelt für
sein Gegen-Event, den Intervision Song Contest. Der nach Russlands Ausschluss beim ESC von
Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Musikwettbewerb geht
im September in der Moskauer
Live Arena über die Bühne.
Offiziell ist zwar noch nichts,
aber angeblich haben 20 Länder
ihre Zusage zur Teilnahme gegeben, darunter China, Indien,
Staaten aus Lateinamerika und
auch Länder aus dem Nahen
Osten. SN, APA
SALZBURGER FESTSPIELE PFINGSTEN
6.—9. Junag025
BButrgfestival.at