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Jahr: 2022
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- S.3
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Tiroler Tageszeitung
TirolerseTageszeitung
„Zu wenige Betreuungsplätze für psychisch kranke Menschen“, Seite 16
20.2.2022
Zu wenige Betreuungsplätze für
psychisch kranke Menschen
Der Fall eines psychisch kranken
Mannes, der nur noch in einer
Notschlafstelle Platz fand, zeigt die
Grenzen der Möglichkeiten einer
entsprechenden Betreuung auf.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck — Die Delogierung war laut der zuständigen Stellen im
Stadtmagistrat unvermeidlich: Der an paranoider Schizophrenie leidende Mann hatte in seiner
städtischen Wohnung
einen Brand gelegt und
Wasserabflüsse verstopft
und hat damit nicht nur
einen Schaden verursacht, sondern auch sich
selbst und seine Nachbarn im Haus gefährdet.
Da sich in betreuten Einrichtungen kurzfristig
kein Platz für ihn fand,
‚ Das Alexihaus
ist keine ideale
Lösung. Wir hoffen,
dass alles gut geht
und es zu keiner Eskalation kommt.“
Hubert Innerebner (Innsbrucker Soziale Dienste)
wurde er schließlich
provisorisch in der Notschlafstelle Alexihaus in
Innsbruck untergebracht
— keine ideale Lösung,
wie Hubert Innerebner,
Geschäftsführer der auch
für diese Obdachloseneinrichtung zuständigen
Innsbrucker Sozialen
Dienste (ISD), einräumt.
„Notwendig wäre eine
Wohnmöglichkeit mit
einer intensiven psychischen Versorgung, auch
ein Wohn- und Pflegeheim für Senioren kommt
nicht infrage, da der
Mann weder alt noch gebrechlich ist.” Innerebner
hofft aber, „dass alles gut
geht und es zu keiner Eskalation kommt“. Im Alexihaus wohnen vor allem
Menschen, die nach einer
Delogierung keine Unterkunft haben oder weil sie
etwa wegen einer Suchterkrankung nicht in der
Lage sind, sich selbst zu
versorgen. Wichtig war
in diesem Fall auch, wie
Innsbrucks Vizebürgermeister Christoph Anzengruber meint, „dass
der Mann überhaupt ein
Dach über dem Kopf hat“.
Er ist inzwischen in einem Einzelzimmer untergebracht, das zuvor für
Corona-Erkrankte in der
Notschlafstelle freigehalten worden war. Treten
Fälle auf, muss er in ein
Mehrbettzimmer übersiedeln.
In Innsbruck gibt es
zwei Organisationen, die
sich intensiv um Menschen wie den Tiroler
kümmern: den Psychosozialen Pflegedienst (PSP)
Die Wmllmn für einen Platz in einer betreuten Wohngemeinschaft sind lang.
Tirol und Pro Mente. Pro-
Mente-Geschäftsführer
Markus Walpoth berichtet, dass so kurzfristig leider keine Wohnplätze für
Männer verfügbar seien,
die Wartezeiten könnten mehrere Monate betragen. Doch auch wenn
in einer der betreuten
Wohngemeinschaften der
Einrichtung etwas frei wäre, stelle sich die Frage, ob
das in diesem sehr komplexen Fall auch wirklich
die richtige Lösung wäre,
denn der Klient verwei-
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P
gert die Einnahme seiner
Medikamente, was dessen Erwachsenenbegleiter als Teil seiner Krankheit sieht. Walpoth: „Was
in Tirol zügig installiert
gehörte, wäre eine Einzelbegleitung.“
Beim Psychosozialen
Pflegedienst sind ebenfalls keine Akutplätze frei,
die Wartezeiten für eine
Unterbringung betragen
dort sogar ein bis zwei
Jahre. Die Wohnmöglichkeiten seien sehr begrenzt, heißt es, nur wenn
Sprbcibid Stock
jemand auszieht, kann
ein anderer Klient nachrücken. „Es bräuchte sicher mehr Einrichtungen
wie uns in Tirol“, heißt es
von Seiten des PSP. Nun
steht eine vorübergehende Unterbringung in einer Psychiatrie im Raum,
wo der psychisch kranke
Mann entsprechend
mit Medikamenten behandelt werden könnte.
Dann würde es ihm auch
besser gehen, sind sich
alle Beteiligten sicher.
Doch auch das ist natürlich keine Dauerlösung
Obwohl nach einer begründeten Delogierung
Klienten drei Jahre von
einer Vergabe städtischer
Wohnungen ausgeschlossen sind, ist die Stadt
Innsbruck um eine Lösung bemüht. Eine Unterbringung in einer neuen,
teilbetreuten Wohneinrichtung der ISD ist angedacht, heißt es aus dem
Bürgermeister-Büro.