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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_03_18_Presse_OCR
- S.7
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Tiroler Tageszeitung
„Der Wirt mit drei Lottosechsern“, Seite 23
Der Wirt mit drei Lottosechsern
Aus einer Juxbewerbung wurde Ernst: Seit 21 Jahren führt Bernhard Schlechter die
Höttinger Alm. Heuer ist sein letzter Sommer. Im Herbst wird die Alm saniert.
Von Denise Daum
Innsbruck, Navis - Bernhard
Schlechter ist gerade beim
Schreiben der Speisekarte.
Die Kaspressknödel sind gesetzt. Dafür ist die Höttinger berühmt, nicht umsonst
nennt man die Alm auch
„Kaspressknödelkompetenzzentrum“ (ein Traumwort für
Innsbruckcher). In wenigen
Wochen sperrt die Alm hoch
über der Landeshauptstadt
wieder auf — je nach Schnee
bzw. Lawinenlage, aber spätestens am 1. Mai. „Es täuscht
von unten. Vergangene Woche hatten wir noch 1,40 Meter Schnee im Garten“, sagt
Schlechter. Der gebürtige
Oberösterreicher betreibt die
Alm seit 21 Jahren. Heuer ist
sein letzter Sommer.
Begonnen hat alles mit einer Juxbewerbung. „Dass ein
Skilehrer ohne Vorkenntnisse
eine Alm bekommt, hätte ich
nicht gedacht“, lacht Schlechter, der seit 1994 die Skischule Innsbruck führt. Dass er
den Schritt gewagt hat, war
eine der besten Entscheidungen seines Lebens. Oder
wie Schlechter es sagt: „Einer
meiner drei Lottosechser.“
Die anderen beiden Hauptgewinne sind seine Frau Gabriele und sein Heim in Navis — im Tal der Liebe, wo der
67-Jährige ab Herbst seinen
Ruhestand genießen wird.
Zurück auf die Alm. Da
habe er als Nicht-Höttinger anfangs keinen leichten
Stand gehabt, sagt Schlechter. „Aber ich bilde mir ein,
dass wir mittlerweile multi-
Die Höttinger Alm liegi auf 1500 Metern.
Jüsselübergabe im Jahr 2001 (linkes Bild, v.1.): Pächter Bemhard
Schlechter, Stadtförster Hans Stern und die Vorpächter Gottfried und Gabriele Berchtold. Rechts: Gemeinsam mit
seiner Frau Gabriele („einer meiner Lottosechser“) und deren Sohn Patrick schupft Schlechter die Alm. rows: Schiecmer
kulti geworden sind. Sowohl
was die Gäste betrifft als auch
die Mitarbeiter.“ Die Küche
schupfen zwei Köchinnen
aus Tschechien. Er habe das
Gefühl, die Gäste kommen
gern zu ihm, seiner Frau Gabriele und deren Sohn Patrick.
„Wir leben das Almleben.“
Natürlich sei es manchmal
anstrengend. Neben den Gästen muss auch noch die Almwirtschaft betrieben werden.
Aber er ist jeden Tag gern aufgestanden. Sein Grundsatz:
Der Gast muss sich willkommen fühlen. „Ich war selbst
schon auf Almen, wo ich das
Gefühl hatte, ich störe. Das
geht nicht“, sagt Schlechter.
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Mittlerweile funktioniere auch das Miteinander
zwischen Wanderern und
Mountainbikern recht gut.
Wenngleich Schlechter schon
feststellt, dass der Egoismus
der Leute zugenommen hat.
„Dabei ist Platz für alle, wenn
jeder nur ein bisschen Rücksicht nimmt.“
Die Stadt Innsbruck hat
die Neuverpachtung bereits
ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist läuft bis Ende
März. Was die neuen Pächter
mitbringen sollten? Neben
Herzblut brauche es Liebe zur
Natur und zum Menschen,
wie Schlechter sagt. Und ein
gutes Durchhaltevermögen.
Weder gibt es einen Ruhetag
noch hat der Arbeitstag nur
acht Stunden. „Sieben Monate lang darf man keinen Gedanken an eine Auszeit verschwenden.“ Wenn die Hütte
so richtig voll ist, dürfe man
die Nerven nicht wegschmeißen. „Das ist mir zugegebenermaßen nicht immer gelungen“, räumt er mit einem
Schmunzeln ein. Ach ja, krisenfest müsse man auch noch
sein. Es kommt immer wieder mal vor, dass Strom oder
Wasser ausfallen. Überhaupt
sind große Ansprüche fehl am
Platz. Auf der Alm gibt es nur
eine Gemeinschaftsdusche —
für Pächter und Mitarbeiter.
„Wir haben damit kein Problem“, sagt Schlechter.
Für Vizebürgermeister
Hannes Anzengruber ist die
Höttinger eine der wichtigsten Innsbrucker Almen. Die
Pacht wurde deshalb so früh
ausgeschrieben, damit eine
geordnete Übergabe erfolgen kann. Außerdem sollen
die neuen Pächter auch bei
den Sanierungsarbeiten mitreden. Unter anderem muss
die Küche neu gemacht werden. Im Herbst soll der Umbau losgehen. Im Juli 2023
beginnt dann eine neue Ära
auf der Höttinger Alm.