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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_04_29_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„Mittelstand bleibt auf der Strecke“, Seite 23
Mittelstand bleibt
auf der Strecke
Bürgermeister Georg Willi sieht kaum eine Chance,
Stadtwohnungen für die Mittelschicht zu öffnen.
Von Denise Daum
Innsbruck — Wer soll in Innsbruck eine leistbare Wohnung bekommen? Angesichts
der fast nicht mehr zu bezahlenden Preise am privaten
Wohnungsmarkt ist das wohl
eine der brennendsten gesellschaftspolitischen Fragen
in der Landeshauptstadt. Die
Stadtpolitik hat darauf bislang keine einheitliche Antwort geliefert. Einig sind sich
die Parteien nur in einem: Die
Vergaberichtlinien für Stadtwohnungen gehören überarbeitet.
Wie berichtet, fordert die
SPOÖ eine Öffnung der Wohnungswerberliste für den
Mittelstand. Die Richtlinien
sehen vor, dass die Mietbelastung über 40 Prozent des
Haushaltseinkommens betragen muss, um sich für eine Stadtwohnung überhaupt
vormerken lassen zu können.
Ein arbeitendes Paar mit einem gemeinsamen Einkommen von 3500 Euro, das für
seine 70-Quadratmeter-Wohnung 1350 Euro Miete zahlt,
hat also keine Chance auf eine Stadtwohnung.
Abgesehen von ihrer Forderung, Deutschkenntnisse bei
der Vergabe zu berücksichtigen, hat hingegen die FPÖ
vorgeschlagen, eine zweite
Wohnungswerberliste für den
Mittelstand einzurichten. Ein
entsprechender Antrag von
FPÖ-Vizebürgermeister Markus Lassenberger wurde im
Jänner-Gemeinderat an den
Stadtsenat verwiesen - und
hängt seitdem in der Warteschleife.
Für die Fraktion „Für Innsbruck“ ist eine zweite Wohnungswerberliste genau der
richtige Ansatz. „Wir fordern
seit Jahren, den Mittelstand
in unserer Gesellschaft nicht
zu vergessen“, sagt FI-Wohnungssprecher Christoph
Kaufmann. Innsbruck verliere seine Leistungsträger an
das Umland, weil sie für geförderte Wohnungen zu viel,
für frei finanzierte zu wenig
verdienen. Kaufmann hofft,
dass nun endlich Bewegung
in die Sache kommt, „nachdem auch die SPÖ erkannt
hat, wie wichtig es ist, den
Mittelstand zu halten“.
Bürgermeister Georg Willi
(Grüne) hält nichts von einer
zweiten Wohnungswerberliste. Er verweist auf die hohe Zahl bereits bestehender
Anträge. Knapp 2000 Personen warten aktuell auf eine
Stadtwohnung. „Wir müssen
zuerst die mit Wohnungen
versorgen, die sich am allerschwersten tun“, sagt Willi.
Er sieht kaum eine Chance,
auch den Mittelstand mit
leistbaren Mietwohnungen
zu versorgen. Dafür habe
man einfach zu wenig Stadtwohnungen (derzeit 17.000).
„Ich sehe kein Argument, jene, die es dringender brauchen, nach hinten zu stellen.“
A la longue würde eine derartige Vergabepolitik - im-
mer nur die dringlichsten
Fälle versorgen — die soziale
Durchmischung gefährden.
Das weiß auch Georg Willi,
Sein Rezept dagegen: leistbares Eigentum mit städtischen
Mietwohnungen mischen.
Bei der Entwicklung großer
Quartiere sollen deshalb alle
Platz haben: frei finanzierte
Wohnungen, gefördertes Eigentum, studentisches Wohnen und Stadtwohnungen.
Statistische Auswertungen
darüber, an wen städtische
Wohnungen vergeben werden (etwa nach Geschlecht,
Einkommen 0oder Staatsbürgerschaft), liegen nicht vor.
Bürgermeister Willi erklärt,
dass diese Daten nicht erfasst
werden, „weil die Vergaberichtlinien regeln, wer auf die
Liste darf. Es wird nicht zwischen Nationalitäten unterschieden“, sagt Willi. Mangelnde Transparenz sieht der
Bürgermeister deshalb nicht.
„Wenn wir das aufschlüsseln,
hätte ich Angst, dass wir eine
Ausländerdebatte haben.“
Die ÖVP hat sich in der aktuellen Debatte über den Mittelstand in Innsbruck bislang
nicht zu Wort gemeldet.
Fast 2000 Anträge für eine leistbare Mietwohnung liegen derzeit beim
Wohnungsamt der Stadt Innsbruck.
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Fatoc Söähm