Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_03_6_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„In Stein gemeißelt?“, Seite 2
Von Andreas Rudigier
er Weltfrauentag am 8. März
wirft seinen Schatten voraus. Das
Landesmuseum kann sich diesem
Tag und seinem Hintergrund nicht verschließen. Die Gründung des Museumsvereins und der Aufbau der zahlreichen
Sammlungen ist weitgehend ein männliches Werk. Die Inhalte der Sammlungen
sind es auch. Historische Leistungen und
religiöse Inhalte, alles hat eine männliche
Schlagseite. Die zahlreichen Brauchtümer, die in diesen Tagen den Winter
vertreiben sollen, sind ebenfalls männlich dominiert. Dabei hält sich das Klima
längst nicht mehr an die Traditionen.
Noch fataler ist die Situation hinsichtlich der Wintervertreibungsbräuche in
meinem Heimatbundesland Vorarlberg. Dort wird in allen Gemeinden und
darüber hinaus in vielen Ortsteilen am
ersten Wochenende in der Fastenzeit das
spektakuläre Funkenverbrennen veranstaltet. Bis zu 20 Meter hohe
Holztürme werden in der Ge-
A.Rudigjer@tiroler-landesmuseen.at
Kunsthistoriker Andreas Rudigier (geb.
1965 in Bludenz) ist seit Ende 2023
Direktor der Tiroler Landesmuseen.
Gastkommentar
In Stein gemeifßelt?
genwart von Zehntausenden Menschen
niedergebrannt. Trotz wachsender Kritik
setzen noch immer mehr als 90 Prozent
eine weibliche Puppe („Hexe“) auf den
Funken, die mit Sprengstoff befüllt im
besten Fall noch ordentlich knallt und
zerfetzt wird.
Beim 1823 gegründeten Ferdinandeum ist seine Männlichkeit quasi in
Stein gemeißelt und in sein Gesicht
geschrieben. Lauter Männer aus dem 19.
Jahrhundert mit wissenschaftlichen und
künstlerischen Verdiensten schauen von
der Fassade auf die Menschen des 21.
Jahrhunderts herab. Intime Kenner der
Fassadenköpfe werden einwenden: Da ist
doch auch eine Frau dabei! Eine Quotenfrau aus vergangenen Jahrhunderten?
Die Männlichkeit ist denkmalgeschützt
und wir werden das Gesicht des Hauses
beim anstehenden Um- und Neubau
nicht ändern können. Aber wichtig ist, was
dahinter passiert! Und das ist durchaus
als epochal zu beschreiben: Erstmals in
seiner mehr als 200-jährigen Geschichte
geben nämlich die Frauen den Ton an.
Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Verhältnis der Verantwortungsträger:innen
auf 3:1 zugunsten der Frauen verschoben.
Kein Zweifel, die Zukunft ist weiblich, und
das Museum wird nach seiner Neueröffnung ein anderes sein.
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