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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_04_11_Presse_OCR
- S.9
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tirol.orf.at
Diese sogenannten „Mischehen“ wurden in den folgenden Jahren der NS-
Herrschaft nicht zwangsläufig geschieden oder aufgelöst, sagt Nikolaus
Hagen, Historiker am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.
Die diskriminierenden Gesetze galten nur teilweise für die jJüdischen
Ehepartnerinnen und -partner. In gewisser Weise handelte es sich deshalb
um „geschützte Mischehen“.
Zwischen Hoffen und Bangen
Als sich das NS-Terrorregime mit dem Novemberpogrom 1938 und danach
weiter radikalisierte und Jüdinnen und Juden aus dem Gau zwangsweise
ausgewiesen wurden, waren Betroffene in diesen „Mischehen“ vereinzelt
ausgenommen. „Weil sie mit ‚arischen‘ Personen verheiratet waren, durften
sie unter bestimmten Umständen in ihren Wohnungen bleiben“, meint
Hagen.
Im Laufe der Kriegsjahre und mit den Deportationen in Vernichtungslager
im Deutschen Reich stellte sich für Eheleute in betroffenen „Mischehen“
laufend die Frage, wie das Regime den Umgang mit ihnen auslegte. „Es
war immer in der Schwebe, was mit ihnen passiert. Die Familien befanden
sich deshalb stets zwischen Hoffen und Bangen“, so der Historiker. Das
bedeutete konkret die Hoffnung darauf, von den Verfolgungen verschont zu
bleiben bzw. das Bangen davor, dass doch noch etwas passiert.
Hofer wollte „judenfreien“ Gau
Schließlich wurde im Frühjahr 1943 klar, dass doch etwas passieren sollte.
Der Innsbrucker Gestapo-Chef Werner Hilliges und Gauleiter Franz Hofer
griffen zu einer drastischen Maßnahme, meint Hagen. Hofer wollte den Gau
Tirol-Vorarlberg anlässlich des Geburtstages von Adolf Hitler am 20. April
„Judenfrei“ machen. Aus diesem Grund gingen ab dem 10. April Haftbefehle
an die noch verbliebenen Jüdinnen und Juden in „geschützten Mischehen“.
Sie hatten sich über die nächsten Wochen mit ein wenig Hab und Gut im
Lager Reichenau bei Innsbruck einzufinden.
Zwar habe es in verschiedenen anderen Orten zuvor ähnliche Aktionen
gegeben. Nichtsdestotrotz sei es laut Hagen eine außergewöhnliche Form
der Verfolgung gewesen. Der Grund dafür: Das NS-Regime hatte zentral
von Berlin aus keine solche Verhaftungswelle angeordnet. Es handelte sich
dabei um eine regionale Initiative. Insgesamt wurden dabei 25 Personen
festgenommen. Sie kamen aus verschiedenen Orten im Gau, etwa aus
Bregenz, Telfs oder Innsbruck.
Aufregung führt zu Abbruch der Aktion
Auch Maria Teuber erhielt einen Bescheid zur Deportation. Sie stammte
aus einer jüdischen Familie aus Berlin. Obwohl sie aus der Israelitischen
Kultusgemeinde ausgetreten war, galt sie in der Rassenideologie der Nazis
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