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Jahr: 2023

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Tiroler Tageszeitung

„Innsbruck bangt um seine Wohnungs-Vorkaufsrechte“, Seite 6

Innsbruck bangt um seine
Wohnungs-Vorkaufsrechte

Klauseln zu ewigen Vorkaufsrechten bei geförderten Wohnungen stehen
laut Oberlandesgericht dem Wohnungseigentumsgesetz entgegen.

Von Reinhard Fellner

Innsbruck - Die Förderung
von Wohnbau durch die öffentliche Hand ist weiter
Gebot der Stunde. Bei erwerbbaren Wohnungen im
städtischen Bereich, wo das
Preisniveau regelrecht explodiert ist, gilt es deshalb, Wohnen zu ermöglichen, aber
nachfolgende Spekulation
mit einst öffentlich geförderten Objekten zu verhindern.
Dies regelte beispielsweise
die Stadt Innsbruck in Kaufverträgen von Wohnbauträgern über eingetragene Vorkaufsrechte.

Im Fall einer Wohnanlage,
welche die Stadt Innsbruck
durch günstigen Grundverkauf an den Bauträger und
etliche Zusatzmaßnahmen
schon vor Baubeginn unterstützt hatte, wurde das Vorkaufsrecht umfassend formuliert.

So wurde es für alle Veräußerungsarten unbefristet fixiert, enthält eine Beschränkung des Verkaufspreises
— als „Vorkaufspreis“ wurde
der Kaufpreis gemäß Wohnbauförderungsrichtlinien in
der jeweils gültigen Fassung
vereinbart —- und beschränkt
den Kreis der Erwerber. Nur

eine Veräußerung zwischen
Ehegatten sowie an die Kindern sollte das Vorkaufsrecht
der Stadt nicht auslösen.
Auch hier wiederum erlöscht
es aber nicht, sondern ist von
Kind oder Gatten wieder voll
grundbücherlich zu übernehmen - somit wirkt das
Vorkaufsrecht generationen-

Wie andere Gemeinden auch hat die Stadt Innsbruck geförderte Wohnungen mit Vorkaufsrechten belegt, um Spekulation zu verhindern. _ Foto: Bötım

übergreifend. Eine wohl zu
umfassende Formulierung,
wie das Landesgericht Innsbruck nach einer Klage letzten Oktober festgestellt hatte.
Rechtsanwalt Martin Wuelz
hatte für eine Käuferin die
Löschung der Vorkaufsrecht-

Klausel begehrt. Dabei argumentierte RA Wuelz, dass
die Käuferin über diese Art
von Vorkaufsrecht beim Kauf
2014 nur unzureichend informiert war und die gesamte Klausel für Konsumenten
unverständlich und intransparent verfasst sei. Das Landesgericht pflichtete dem

bei und fällte eine weit über
den Einzelfall hinausgehende
Entscheidung. So seien die
Klauseln „für einen durchschnittlichen Konsumenten
weder klar noch verständlich
noch durchschaubar“ und
verstoßen deshalb gegen das

Transparenzgebot nach dem
Konsumentenschutzgesetz.
Die Klauseln im Vertrag seien
deshalb nichtig und aus diesem zu entfernen.

Die Stadt Innsbruck konnte
darauf gar nichts anders, als
gegen das Urteil zu berufen.
Das nun frisch vorliegende
Urteil des Oberlandesgerichts

Seite 6 von 11

(OLG) verstärkt die Position der Käuferin aber noch
weiter. Laut OLG verstoßen
die Klauseln dazu gegen das
Wohnungseigentumsgesetz.
Es geht um das Vorkaufsrecht
auf unbefristete Zeit: „Das
Vorkaufsrecht unterliegt gar
keiner zeitlichen Befristung
und ist auch im Fall der Veräußerung an vom Vorkaufsfall nicht erfassten Ehegatten
oder Kinder von diesen zu
übernehmen. Eine derart lange Knebelung ist nach Ansicht
des Senats weder mit dem
oben aufgezeigten Wesen des
Eigentums als Vollrecht noch
mit dem Verbraucherschutzgedanken an sich in Einklang
zu bringen“, begründet das
OLG in der nun vorliegenden
Berufungsentscheidung.
Diese ist jedoch bundesweit
von derartiger Relevanz, dass
das OLG der Stadt Innsbruck
noch den Weg zum Obersten Gerichtshof zugestanden
hat: „Da die Frage der Wirksamkeit der Klausel für eine
Vielzahl von Vertragsverhältnissen von Bedeutung ist,
war die ordentliche Revision
zuzulassen.“ Der Rechtsvertreter der Stadt konnte gestern gegenüber der TT noch
keine politisch akkordierte
Stellungnahme zum druck-

frischen Urteil abgeben. Anwalt Wuelz für die klagende
Wohnungskäuferin: „Dies
wäre ein Vorkaufsrecht mit
Ewigcharakter gewesen. Auch
das Tiroler Wohnbauförderungsgesetz sieht eine generationenübergreifende Beschränkung des Eigentums
schlichtweg nicht vor.“