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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_07_14_Presse_OCR
- S.12
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Tiroler Tgeszeitung
Riesenpaket: Für Innsbruck bringt die Reform des Stadtrechts - sofern sie beim Land Tirol durchgeht - viele neue demokratische Spielregeln. F: Bötm
„‚Bürgeranträge‘ als Novum, Gängelband für Stadtchef“, Seite 21
„Bürgeranträge“ als Novum,
Gängelband für Stadtchef
Innsbruck einigt sich auf Stadtrechtsnovelle, die Bürgern direktes Gehör
im Gemeinderat verschaffen und Machtgleichgewicht neu regeln soll.
Innsbruck — So viel Einigkeit
ist man im Innsbrucker Gemeinderat gar nicht mehr
gewohnt: „Was lange währt,
wird endlich gut“, meinte
Rechtsausschuss-Obmann
Benjamin Plach (SPÖ), Obmannstellvertreter Lucas
Krackl (FI) befand: „Wir haben etwas Großes auf den
Weg gebracht.“ Gemeint ist
die Novelle zum Innsbrucker
Stadtrecht, die gestern - nach
jahrelangen Vorarbeiten — mit
nur zwei Gegenstimmen (ALI,
Liste Fritz) abgesegnet wurde
und nun dem Land Tirol zur
Prüfung und anschließenden
Beschlussfassung im Landtag
übermittelt wird.
Was trocken klingen mag,
bringt in Wahrheit in vielen
Bereichen neue demokratische Spielregeln - so etwa in
Sachen direkter Demokratie:
Hier stechen die so genannten
äge“ ins Auge: Erreicht eine Petition aus
der Bevölkerung mindestens
halb so viele Unterschriften,
wie bei der letzten Wahl Stimmen für ein Gemeinderatsmandat nötig waren — aktuell
wären das etwa 600 Unterschriften —, ist dieser BürgerInnenantrag verpflichtend
im Gemeinderat zu behandeln. Ein Sprecher oder eine
Sprecherin der Petition soll
dann sogar Rederecht im Gemeinderat erhalten.
Auch Voraussetzungen für
so genannte Bürgerräte und eine „dialogorientierte Bürgerbeteiligung“ sollen geschaffen
werden. Dafür werden jedoch
die Stadtteilvertretungen, wie
es sie derzeit für Igls und Vill
Da T
Bürger
gibt, gestrichen — „in Gleichbehandlung aller Stadtteile“,
wie GR Plach erklärt.
Ins neue Stadtrecht flossen
aber auch Polit-Aufreger der
letzten Monate ein —- konkret
ins Kräfteverhältnis zwischen
dem Bürgermeister und dem
ebenfalls direkt gewählten
Gemeinderat: Nach den Alleingängen von BM Georg
Willi (Grüne) bei Sonderverträgen ist laut Novelle nun
vorgesehen, dass solche Verträge künftig vom Stadtsenat
abgesegnet werden müssen.
Auch die Magistratsgeschäftsordnung soll künftig auf Vorschlag des Bürgermeisters nur
noch mit Zustimmung des
Stadtsenats geändert werden
können, in Ausnahmefällen
ist sogar ein Beschluss gegen
ihn möglich.
Innsbrucker Stadtrechtsnovelle - was kommen soll
BürgerInnenantrag: Petitionen
aus der Bevölkerung sind ab
einer gewissen Unterschriftenzahl (Hälfte der Stimmen, die
es für ein Gemeinderatsmandat
braucht) fix im Gemeinderat zu
behandeln.
Bei Beschlüssen, die eine Zweidrittelmehrheit verlangen, reicht
künftig auch die Anwesenheit
von zwei Dritteln der Mandatarlnnen - bisher waren drei
Viertel nötig. Dass ein Viertel der
kann, ist nicht mehr möglich.
Einschränkungen für den
Bürgermeister: Sonderver-
träge sind künftig nicht mehr
alleinige Bürgermeisterkompetenz, sondem vom Stadtsenat
abzusegnen. Dasselbe gilt für
stellvertretende Leitungsfunktionen im Rathaus. Auch bei der
Magistratsgeschäftsordnung
muss der Bürgermeister künftig
mit dem Stadtsenat kooperieren.
Keine Stadtteilvertretungen
mehr - Partizipation soll über
direktdemokratische Elemente
und „dialogorientierte Bürgerbeteiligung“ gesichert werden.
Neue Karenzierung vom Mandat
erlaubt Politikerinnen - neben
der schon bisher möglichen Beurlaubung - Karenz für Kinderbetreuungs- oder Pflegeaufgaben.
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Dass der Bürgermeister als
Chef der Stadtverwaltung diese künftig somit nicht mehr
selbst gestalten kann, sieht
GR Gerhard Fritz (Grüne) als
„überschießende Anlassgesetzgebung“, künftige Stadtchefs täten ihm leid. Aber
auch wenn man mit Punkten
wie diesen nicht einverstanden sei, „stimmen wir dem
großen Ganzen gerne zu“.
Für Julia Seidl (NEOS) wird
Innsbruck mit dem neuen
Stadtrecht „Öösterreichweiter
Vorreiter“ bei der Bürgerbeteiligung. Heftige Kritik setzte
es hingegen von Mesut Onay
(ALI): Mit den noch höheren
Schwellen für die Einleitung
einer Volksbefragung oder der
Abschaffung der Stadtteilausschüsse sieht er sogar demokratische Rückschritte. (md)