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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_08_26_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Rechnungshof vermisst Strategie bei Frauenschutz“, Seite 14
Rechnungshof vermisst
Strategie bei Frauenschutz
In Tirol wurden 2021 über 1000 Betretungs- und Annäherungsverbote
ausgesprochen. RH-Prüfer mahnen nachhaltig wirksame Maßnahmen ein.
Von Serdar Sahin
Wien - Zersplitterte Kompetenzen, keine einheitlichen
Kriterien und viel Verbesserungspotenzial. Der Rechnungshof (RH) hat einen
Bericht zu „Gewalt- und Opferschutz für Frauen“ veröffentlicht, der Befund fällt
schlecht aus: „In Österreich
besteht keine langfristig angelegte, gesamthafte Strategie zum Schutz von Frauen
vor Gewalt“, heißt es darin.
Die Prüfer geben eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen ab. „Gewalt- und
Opferschutz für Frauen erfordern Bewusstseinsbildung
in der gesamten Gesellschaft
sowie nachhaltig wirksame
und koordinierte Maßnahmen aller Akteure in diesem
Bereich“, sagt Margit Kraker,
Präsidentin des Rechnungshofs. Das Bundeskanzleramt
sollte gemeinsam mit den
zuständigen Ministerien und
den Ländern strategische
Schwerpunkte festlegen und
verstärkt auch präventive
Maßnahmen setzen.
Im Innenministerium gebe
es keine einheitlichen Kriterien für die Beurteilung von
Hochrisikofällen und für die
Abwicklung sicherheitspolizeilicher Fallkonferenzen,
kritisiert der Rechnungshof.
„So schufen beispielsweise die Landespolizeidirektionen Oberösterreich, Tirol
und Vorarlberg eigene Strukturen, um eine einheitliche
Vorgehensweise innerhalb
der jeweiligen Länder sicherzustellen. Insbesondere in
Fällen häuslicher Gewalt war
die möglichst tatzeitnahe Sicherung von Verletzungen
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Gewalt gegen Frauen - Wegweisungen
11.652
2018 2019 2020
Tirol
bzw. Spuren der Gewalt von
besonderer Bedeutung.“ Die
Prüfer empfehlen deshalb,
flächendeckende Gewaltambulanzen einzurichten.
Bei Verdachtsfällen von Gewalt in der Privatsphäre müssen ersteinschreitende Polizistinnen und Polizisten über
unmittelbare Schutzmaßnahmen wie etwa ein Betretungsund Annäherungsverbot entscheiden. 2020 hat die Polizei
in Tirol 706 Betretungs- und
Annäherungsverbote ausgesprochen, 2021 waren es bereits 1006.
Die Landespolizeidirektionen führen seit 2021 Schulungen für „standardisierte
Grundausbildung für Präventionsbedienstete im Bereich
Gewalt in der Privatsphäre“
2.169
13.690 Betretungs- und
Annäherungsverbote
Verstöße
2021
Kin Stmk
Bgld
durch. „In Tirol hatten noch
keine Schulungen gemäß
den neuen Vorgaben stattgefunden“, schreibt der Rechnungshof.
Zuständig für den Schutz
von Frauen ist nicht nur der
Bund. Auch die Länder finanzieren die Frauenhäuser und
fördern Einrichtungen zur
Beratung von Frauen. Während Tirol 2018 Frauenhäuser noch mit 730.000 Euro
gefördert hat, wurden 2021
bereits 1,32 Millionen Euro
dafür ausgegeben. Das ist ein
Plus von 82 Prozent. Trotzdem liegt Tirol damit auf dem
drittletzten Platz. Zusätzlich
erhielten die Frauenhäuser in
Innsbruck Förderungen von
der Landeshauptstadt. Im
Jahr 2021 waren es laut Rech-
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nungshof 350.000 Euro.
Der Rechnungshof konstatiert zudem, dass die Bundesländer die vom Europarat empfohlene Anzahl von
Familienplätzen in Frauenhäusern je 10.000 Einwohner
nicht erreichten. Tirol sollte
demnach 76 Familienplätze
haben. In den fünf Frauenhäusern in Tirol gab es aber
nur 41 Plätze für Frauen. Gar
keine Daten waren zur Anzahl der Plätze für Kinder
verfügbar. Alle anderen Bundesländer haben aber Daten
dazu geliefert.
Verbesserungsbedarf sieht
der RH auch bei der Fortbildung von Richtern. Hingegen
würdigen die Prüfer, dass niederschwellige Beratung für
Frauen über nahezu das gesamte Bundesgebiet angeboten wird. Auch die rund um
die Uhr verfügbare Frauenhelpline gegen Gewalt wertet
er beispielsweise positiv.
„Die Kritik des Rechnungshofes deckt sich mit unserer Einschätzung, dass die
schwarz-grüne Bundesregierung beim Gewaltschutz nur
ankündigt, aber nichts nachhaltig umsetzt“, sagt SPÖ-
Justizsprecherin Selma Yildirim. „Es ist bedauerlich, dass
die Regierung die Vorschläge der Opposition nicht aufgreift. Seit Mai 2021 liegt z. B.
der Antrag zu den Gewaltambulanzen im Justizausschuss und wird dort vertagt.
Sie wurden versprochen, aber
es passiert nichts.“ Auch der
Antrag zur Sensibilisierung
von Richtern und Staatsanwälten sei zwar im April 2021
beschlossen, bisher aber
nicht umgesetzt worden, moniert die Tirolerin.