Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_06_23_Presse_OCR
- S.7
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Tiroler Tageszeitung
„‚Wohlstand gibt’s nicht zum Nulltarif‘“, Seite 16
„Wohlstand gibt’s nicht zum Nulltarif“
Wirtschaftsprofessor und MCI-Rektor Andreas Altmann fordert im TT-Gespräch Strukturreformen und mehr
Leistungsgerechtigkeit. Nicht nachvollziehen kann Altmann genannte Zahlen zum auf Eis gelegten MCI-Neubau.
Herr Rektor Altmann, eine
Krise jagt die nächste. Wie
beurteilen Sie als Ökonom
die wirtschaftliche Lage?
Andreas Altmann: Wir blicken auf krisenhafte Jahre zurück - und es spricht wenig
dafür, dass die Herausforderungen kleiner werden. Die
Corona-Pandemie mit ihren
Folgen, ein Kriegstreiber in
Russland mit imperialistischen Ambitionen, ein US-
Präsident, der demokratische
Prinzipien verhöhnt, und ein
chinesisches Regime, das strategische Schlüsselbereiche
besetzt —- all das hat Unordnung in die Welt gebracht. Dazu kommen die Herausforderungen des Klimawandels und
die unglaubliche Dynamik der
Künstlichen Intelligenz, wo
wir nicht im Fahrersitz sitzen.
Wie sehen Sie Österreich
und Tirol hier aufgestellt?
Altmann: Jährlich verlassen
rund 60.000 Menschen mehr
den Arbeitsmarkt als nachrücken. Gleichzeitig wirkt die
hierzulande besonders hohe
Inflation der letzten Jahre
nach. Unsere Lohnstückkosten sind seit 2020 um zehn
Prozentpunkte stärker gestiegen als im EU-Schnitt — das
untergräbt unsere Wettbewerbsfähigkeit. Besorgniserregend finde ich auch den
stark gestiegenen Teilzeitanteil, die enorme Regulierung
und ein weit verbreitetes Anspruchsdenken an den Staat —
zu dem die Politik leider auch
selbst beigetragen hat.
30 Milliarden für Pensionen
Ist das von der neuen Bundesregierung beschlossene
Arbeitsprogramm aus Ihrer
Sicht ambitioniert genug?
Altmann: Was ich noch wenig sehe, sind mutige Strukturreformen und kraftvolle
Investitions- und Leistungsanreize - um kluge Köpfe und
Kapital im Land zu halten und
aktiv anzuziehen. Es gilt beim
Konsum zu sparen, nicht bei
den Investitionen. Mit einer
Staatsquote von sagenhaften
56,3 Prozent liegen wir EU-
weit bereits an dritter Stelle.
Trotz hoher Steuern bekommen wir das Budgetdefizit
nicht in den Griff, die Staatsverschuldung steigt und unser
Pensionssystem ist schlicht
nicht zukunftsfähig. Jährlich
werden bereits über 30 Mrd.
Euro zugeschossen - man
stelle sich vor, welche Dynamik man mit einem Bruchteil
davon bei Innovationen und
Start-ups entfalten könnte.
Es scheint aber angesichts
der Probleme langsam ein
Umdenken einzusetzen.
Altmann: Noch ist die
Illusion allzu verbreitet, Wohlstand sei ein Grundrecht und
überdies zum Nulltarif zu haben. Dazu wird jede Ungleichheit reflexartig mit unfairer
Benachteiligung oder Diskriminierung gleichgesetzt. Aber
nicht alles, was ungleich ist,
ist automatisch ungerecht,
vor allem, wenn dies auf individuelle Entscheidungen und
Verhaltensmuster zurückzuführen ist. Es braucht wieder
mehr Augenmerk auf Chancen- und Leistungsgerechtigkeit —- mit sozialer Verantwortung gegenüber jenen, die
Unterstützung brauchen.
Kommen wir zu „Ihrem“ Management Center
Innsbruck. Wie ist hier der
aktuelle Stand?
Altmann: Wir erwarten heuer 5000 Bewerbungen für 1360 Plätze. Und
das trotz Aufnahmeverfahren, Studiengebühren, Anwesenheitserfordernis und
hohem Leistungsanspruch.
Unsere Absolventen gründen Unternehmen, übernehmen Führungsverantwortung, gestalten Zukunft. Es
ist schmerzhaft, so viele leistungswillige junge Menschen
ablehnen zu müssen. Auch in
der Forschung ist die Nachfrage enorm - derzeit bearbeiten
wir über 170 drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte.
Leider können wir aufgrund
begrenzter Infrastruktur und
bürokratischer Hemmnisse
Für MCI-Rektor Andreas Altmann wurde durch das Vorgehen der Landespolitik viel Geld verbrannt.
nicht einmal die Hälfte der
Anfragen annehmen.
Das MCI Campus-Projekt
wurde vom Land aus Geldgründen abgesagt. Kommt
die Sanierung der bestehenden Standorte voran?
Altmann: Die Entscheidung
war ein schwerer Schlag. Sosehr wir uns gemeinsam mit
LHStv. Philip Wohlgemuth um
tragfähige Lösungen bemühen: Das Ganze ist komplexer,
als sich das manche vorgestellt haben dürften. Schließlich war die frühere Hauptpost
für einen gänzlich anderen
Zweck errichtet worden, steht
unter Denkmalschutz und ist
hinsichtlich Gebäudestruktur,
Raumgrößen, Fluchtwegen
und vielerlei weiterer Gegebenheiten ähnlich weit weg
von einer Hochschule wie von
einem Krankenhaus, Bahnhof oder Einkaufszentrum.
Dazu kommt, dass der Baukörper über 100 Jahre alt ist,
mit veralteter Heizung und
Elektrik, unzureichender Be-/
Entlüftung, fehlender Klimatisierung, nicht vorhandenen
Schächten und 60 bestehenden Mietverhältnissen, die
eine zusammenhängende
Raumnutzung verunmöglichen und offenbar nicht gekündigt werden können. Un-
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Foto: MCI/Koller
gelöst ist die Frage, wo wir den
Betrieb während der Sanierung unterbringen können.
Überall muss derzeit gespart werden. Wie sieht es
mit der Finanzierung aus?
Altmann: Erst wenn Planungen und Kostenschätzungen auf dem Tisch liegen, kann man seriös über
Finanzierung reden. Dass
jetzt schon jemand zu wissen
scheint, man könne durch
eine Sanierung phantastische
864 Millionen Euro sparen, ist
— gelinde gesagt - bemerkenswert. Ich wurde schon gefragt,
ob sich da jemand um ein paar
Kommastellen vertan hat.
Dazu kommt eine juristisch
heikle Frage: Ist es überhaupt
zulässig, eine in die Jahre gekommene Immobilie privater
Investoren mit öffentlichen
Mitteln aufwändig herzurichten und in der Folge dauerhaft
anzumieten, ohne je daran öffentliches Eigentum begründen zu können? Ich glaube,
das ist der Bevölkerung kaum
vermittelbar - unsere Studierenden würden mit einer solchen Konstruktion bereits im
ersten Semester durchfallen.
Kritik am Projekt-Stopp
Immer wieder hört man
Kritik von Seiten des MCI,
dass mit der Absage des
damaligen Siegerprojekts
durch den früheren Landesrat Johannes Tratter Sand
ins Getriebe gekommen sei.
Altmann: Die Gründe für
die damalige Absage sind bis
heute nicht nachvollziehbar.
Es lag ein architektonisch,
wirtschaftlich und funktionell
überzeugendes Projekt zur
Umsetzung vor. Seit der Absage wurden unglaubliche 15
Mio. Euro für Planungs- und
Beratungsleistungen ausgegeben, ohne dass dies zu einem
Ergebnis geführt hätte. An die
Zeit- und Kostengarantie, die
damals als Begründung für
die Neuausschreibung postuliert wurde, will sich niemand
mehr erinnern. Manche Projektbegleiter haben jedenfalls
exzellent daran verdient. Ich
mache mir Sorgen, dass es
ähnlich weitergeht. Erneut
stehen wir einem monopolhaften Investor gegenüber,
der es in der Hand hat, die
Preise zu diktieren, technische
Lösungen vorzugeben und
räumliche Qualitäten zu definieren. Das hatten wir schon
mal, mit dem Ergebnis, dass
die Kosten explodiert sind,
bei gleichzeitig deutlich verkleinertem Projekt. Diesmal
ist nicht einmal öffentliches
Eigentum vorgesehen.
Das Interview führte
Alois Vahrner