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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_02_27_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Tanzende Schneemänner: Wird in Österreich der Bildungsauftrag
erfüllt?‘“. Leserbrief, Seite 8
_ Tanzende Schneemänner: Wird in
Österreich der Bildungsauftrag erfüllt?
Thema: Kultur und Politik.
nd wieder gehen sie um,
die Unterschriftenlisten
der Intellektuellen gegen ...
und man fragt sich: Was war
da noch zuletzt für ... seit den
letzten Listen vor fünf Jahren?
Etwa in der Kunst mit ihren
Vermittlungsmöglichkeiten,
der Sinnlichkeit, der Lust,
dem Intellekt, der Psychologie, dem Theater. Wo waren
die Erzählungen zur Orientierung, die Möglichkeiten
zum Erkennen und Reflektieren für das gesellschaftspolitische Hier und Heute?
Was läuft schief, wenn in
einer hochsubventionierten
Kulturnation Wahlergebnisse
aussehen, wie sie aussehen?
Kann es sein, dass sündteure
Musical-Produktionen, deren
Attraktionen Sachertorte und
tanzende Schneemänner auf
der Bühne oder deren Inhalte oftmals nur verklärende,
verkitschte Lebensläufe Verstorbener sind, nicht den offi-
ziellen Kultur- und Bildungsauftrag erfüllen? In vielen
Ländern verdienen Musical-
Produktionsgesellschaften
viel Geld oder werden aus
Werbeetats der Tourismusförderung gespeist, es wird
mit Umweg-Rentabilität und
vollen Hotelbetten argumentiert. Die Intendant:innen
der Österreichischen Landestheater fordern in einem
Schreiben, „die Politik muss
sich der Kulturnation würdig
erweisen“. Ja, aber die Spielpläne zur Individuation der
Gesellschaft ebenfalls.
Theater war immer und ist
immer ein Objekt der Politik,
so wie die Politik immer ein
Objekt des Theaters war und
ist. Dagegen helfen alle fünf
Jahre ausgesandte Unterschriftenlisten wenig. Bereits
das älteste uns erhaltene Theaterstück aus dem 5. Jahrhundert v.u.Z., „Die Perser“ von
Aischylos, ist eine Kritik am
eigenen Land, in der „Orestie“
lesen wir: „Entfernt aus eu-
rem Staat das zu Fürchtende
nicht.“ Aischylos musste ins
Exil, sein Grab liegt in Sizilien.
Politik hat im Laufe der Geschichte immer wieder Zensur versucht, doch Literatur
hat stets dagegen angeschrieben, Theater dagegen aufgezeigt. Der erste Kritiker des
Theaters war Platon, „weil
das Theater den Staat verderbe“. Theater wird durch Meinungsaustausch, den Dialog
in der Arena zur öffentlichen
Sache, zur res publica. Im
Mittelalter hat die Kirche
das Theater als „des Teufels
Zeug“ gebrandmarkt, doch
weil vergebens, hat sie es zu
formen versucht.
Auch heute wollen Politik
und Religion auf Geisteskultur Einfluss nehmen. Wenige
Länder bieten so viel Raum
für Kultur wie Österreich: Fabeln und Parabeln dazu gäbe
es zuhauf, nützen wir sie die
nächsten fünf Jahre.
Günther Panak, 6020 Innsbruck
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