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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_01_27_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Ein Baum ist kein Bauwerk mehr“, Seite 3
Ein Baum ist kein Bauwerk mehr
Früher wurden Bäume aus Haftungsgründen oft unnötig geschlägert. Eine Änderung im
ABGB will das verhindern, die Stadt Innsbruck hat sogar eigene Baumkontrollore.
Von Irene Rapp
Innsbruck —- Umgestürzte
Linden und Buchen. Herabfallende Äste. Es braucht
nicht immer ein Naturereignis, damit Bäume Schaden
anrichten können, oft sind
auch Krankheiten der Grund.
So wie 2021, als in Innsbruck
eine Robinie umfiel und eine
46-jährige Frau schwer verletzt wurde. Schuld war ein
Pilzbefall an den Wurzeln des
Baumes, die Stadt Innsbruck
sah sich in der Folge mit Schadenersatzforderungen konfrontiert. „Wir wurden freigesprochen“, berichtet Thomas
Klingler, Leiter des Amtes
für Grünanlagen in der Stadt
Innsbruck.
Seitdem gibt es in der Landeshauptstadt eigene Baum-
Kontrollore: Zwei städtische
Mitarbeiter kontrollieren
regelmäßig die Tausenden
Fichten, Platanen, Linden
usw., die sich auf städtischem
Gebiet befinden. „Im Vorjahr
waren es an die 7500 Bäume,
die genau untersucht wurden“, sagt Klingler.
‚ Bis vor einigen
Monaten ist der
Baum rechtlich wie ein
Gebäude behandelt
worden.“
Peter Kapelari
(Forum Baumkonvention)
Geändert hat sich seit 2021
auch die Rechtslage, was die
Haftung von Schäden durch
Bäume betrifft. „Bislang war
im Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch geregelt, dass der
Baumhalter den Beweis antreten muss, dass er alles unternommen hat, um solche
zu verhindern. Der Baum ist
nämlich rechtlich wie ein Gebäude behandelt worden“, erklärt Peter Kapelari. Der Miederer sitzt im Vorstand des
bundesweit aktiven Vereins
„Forum Baumkonvention“.
Mit ein Grund, warum aus
Angst vor Schadenersatzansprüchen oft überbordend
reagiert worden sei. „Es wurden viele Bäume so radikal
geschnitten, dass sie abgestorben sind, oder sie wurden
gleich gefällt. Dabei zeigt die
Unfallstatistik, dass das Risiko
von Personenschäden durch
Bäume verhältnismäßig gering ist“, weiß Kapelari.
Seit wenigen Monaten gilt
jedoch der Paragraph 1319b -
Bäume wurden aus der Gebäudehaftung herausgenommen. „Jetzt muss der
Geschädigte beweisen, dass
der Baumhalter die Sorgfaltspflichten vernachlässigt
hat. Betont wird in dem Paragraphen zudem, dass die
Schäden durch Bäume können - wenn die Sorgfaltspflicht vernachlässigt wurde - S hadı tzford
notwendige Sorgfaltspflicht
auch davon abhängt, wo der
Baum steht und welchen ökologischen Wert bzw. welche
Bedeutung er für das Landschaftsbild hat“, informiert
Kapelari. Nicht zu vergessen
die Eigenverantwortung. „Jedem muss bewusst sein, dass
er z.B. bei Sturm nicht unter
einem Baum Zuflucht sucht,
denn es könnten ja Äste herunterfallen.“
Das neue Regelwerk entbinde nicht von aller Sorgfalt,
solle künftig aber drastische
Maßnahmen für Bäume verhindern. Und möglicherweise
noch mehr: „Die frühere Haftungs-Angst wurde nicht selten als Argument verwendet,
um Schlägerungen durchzu-
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‚ Im Vorjahr wurden von den zwei
Baum-Kontrolloren
rund 7500 Bäume genauer untersucht.“
Thomas Klingler (Leiter Grünanlagen/Stadt Innsbruck)
führen, die man sonst nicht
durchgebracht hätte“, berichtet Kapelari. Der $1319b gilt
für alle Bäume in Österreich,
im Wald besteht über das
Forstgesetz zudem noch größere Haftungserleichterung.
Kapelari hofft nun, dass
Angst-Schnitte künftig verhindert werden. Eine neue
Broschüre des Vereins liefert
alle Infos zu dem Thema, „das
allerdings noch nicht ganz in
‚gen zur Folge haben.
den Köpfen der Menschen
angekommen ist“, gibt Kapelari zu (www.baumkonvention.al).
In der Stadt Innsbruck wird
von den Bürgern hingegen
genau beobachtet und hinterfragt, wenn ein Baum gefällt werden muss. „Wir hinterlassen dann an Ort und
Stelle eine Info in Papierform,
dass der Baum aus Sicherheitsgründen entfernt werden
musste, ein neuer gepflanzt
wird, sowie eine Telefonnummer, wo man Auskunft
erhält“, sagt Klingler. Ein Angebot, das immer wieder in
Anspruch genommen wird.
„Wobei wir jedes Jahr mehr
Bäume neu setzen, als wir
wegtun“, betont Klingler.