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Jahr: 2025

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Tiroler Tageszeitung

„‚Ein Armutszeugnis für Österreich‘“, Seite 4

x 7
Innsbrucks Stadtchef Johannes Anzengruber drängt auf rasche Bildung einer stabilen Bundesregierung - und darauf, dass künftig nicht noch mehr „Staatsaufgaben“ auf die Gemeinden abgewälzt werden.

Abbruch der Regierungsverhandlungen über eine
Dreierkoalition, Kanzler-
Rücktritt, jetzt Gespräche
zwischen FPÖ und ÖVP.
Wie beurteilen Sie die verzwickte Lage im Bund?
Johannes Anzengruber: Die
Geschehnisse der letzten Monate waren ein Armutszeugnis für Österreich. Je länger es
dauert, umso schwieriger wird
das Ganze. Wir sind in vielen
Dingen vom Bund abhängig,
etwa bei der Verteilung der
Mittel über die Vertikalfinanzierung oder den Bundesleistungszentren im Sport. Ich
hoffe, dass die Verhandler
endlich in die Gänge kommen
und eine stabile Regierung
rasch ins Tun kommt. Über
die Konstellation kann man
streiten. Mir geht es aber um
die Sache, nicht um Parteipolitik, so halte ich es auch in der
Stadt.
Was bedeuten die bundespolitischen Turbulenzen
konkret für Innsbruck?
Anzengruber: Für mich ist
eines wichtig: dass klassische
Staatsaufgaben nicht auf die
Gemeinden umgewälzt werden. Wir hatten das in den letzten Jahren durchaus schon,
etwa im Kinderbildungs- und

Schulbereich. Schulassistenz
und Tagesbetreuung sind hier
offene Punkte, Es kann nicht
sein, dass man Gesetze beschließt, die eigene Aufgaben
betreffen, und wir es dann am
Ende kostenmäßig tragen und
umsetzen müssen. Auch im
Gesundheits- und Sozialsystem muss konsolidiert und
klar Schiff gemacht werden.
Haben die ewigen Regierungsverhandlungen bereits finanzielle Nachteile
für Innsbruck?
Anzengruber: Ja, wir müssen
Projekte zwischen- und vorfinanzieren und haben mit dem
Land Ausfallshaftungen übernommen. Etwa für die Sanierung der Bobbahn in Igls. Wie
es mit den versprochenen
Förderungen weitergeht, ist
ebenso Thema, auch der Neubau des Heeres-Spitals. Das
wird schon schwierig.
Irgendjemand wird aber
die fehlenden Milliarden
im Bund zahlen müssen.
Mehr Steuern oder weniger
Ausgaben? Welchem Lager
gehören Sie an?
Anzengruber: Auf der Ausgabenseite besteht Handlungsbedarf, ganz klar. Bei den
Bundeseinrichtungen sind
sicher Synergien zu finden.

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"‚

‚ Der Bozner Platz
wird wohl günstiger als geplant. Das
sind erste Erkenntnisse
aus der Ausschreibung.“

Johannes Anzengruber
(Innsbrucker Bürgermeister)

Es braucht auch stärkeres
Budget-Controlling. Wir in der
Stadt haben das eingeführt.
Mit der Abschaffung der kalten Progression haben wir als
Kommune ein Problem, das
führte zu weniger Abgabenertragsanteilen. Auch im Lohnnebenkostenbereich wird man
Maßnahmen setzen müssen.
Die Abgabenertragsanteile
für Innsbruck fallen 2025
geringer aus als erwartet
— operativ budgetiert die
Stadt ein Minus von 11,4
Millionen Euro. Wie kann
sich das noch ausgehen?
Anzengruber: Wir zahlen 140
Millionen im Jahr ans Land,
bekommen aber nur 70 zurück. Ich bin mit Städte- und
Gemeindebund österreichweit im Austausch, dass die
Kosten nicht auf die Kommunen abgewälzt werden dürfen.
In Tirol muss sich das Sozialpaktum zwischen Land und
Gemeinden von 65 zu 35 auf

ein Verhältnis 70 zu 30 Prozent
Kostenbeteiligung ändern.
Das Paktum läuft noch bis
2028, gehört aber schon früher aufgebrochen. Es ist mir
gelungen, vom Land zwei Mio.
Euro mehr an GAF-Mitteln zu
bekommen als in den Jahren
zuvor. Wir werden hier aber
weiterverhandeln. Landeshauptmann Anton Mattle wird
zeigen müssen, wie wichtig
ihm die Landeshauptstadt ist,
Auch in Bezug auf die
Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung: ohne Zusatzmittel keine Umsetzung?
Anzengruber: Wenn das Land
das so beschließt, wird es uns
Gemeinden zeigen müssen,
wie das Ganze finanziert werden kann. Ansonsten geht sich
das nicht aus. Dann wird es
den Rechtsanspruch im ganzen Land nicht geben.
Sie müssen sparen, dennoch
nehmen Sie 58 Mio. Euro
neue Schulden auf, auch
jene 9 Mio. für die Neugestaltung des Bozner Platzes.
Muss so ein Projekt in einer
derartigen Situation sein?
Anzengruber: Definitiv und
absolut. Langfristig wirkende
Investitionen werden auch
langfristig finanziert. Es geht

Seite 4 von 14

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7y

„E1n Armutszeugnis
Österreich“

} Das Tauziehen um eine neue
Bundesregnemgg hat für Innsbruck

„ Die Vorbehaltsflächen habe ich auch
zur Chefsache gemacht,
weil es mir ein bisschen
zu langsam ging.“

Johannes Anzengruber
(Bürgermeister)

um die Wirtschaft als Motor
und die Aufenthaltsqualität
in der Stadt. Innsbruck muss
klimafit werden, der Bozner
Platz ist der heißeste Platz in
der Stadt. Und ich darf schon
sagen, dass der Bozner Platz
wahrscheinlich um einiges
günstiger wird als geplant. Das
sind die ersten Erkenntnisse
aus der Ausschreibung.
Der MCI-Neubau ist nicht
günstiger geworden und
wurde deshalb vom Land
abgeblasen. Was passiert
nun mit dem städtischen
Grundstück samt Busparkplatz am Fennerareal?
Anzengruber: LH Mattle hat
eine Entscheidung getroffen.
Ich hätte es mir anders gewünscht. Wir hätten den Platz
zur Verfügung gestellt. Dafür
haben wir bereits elf bis zwölf
Mio. Euro Rücklagen gebildet.
Rücklagen, die Ihr Budgetdefizit mit einem Schlag sanieren könnten.

6 »hannes Anzengruber (JA).
gr ohne Zusatzgeld kein
n auf Kmderbetreuung

Foto: Tromas Böhm

Anzengruber: (schmunzelt)
Das wäre natürlich toll, aber
ich bleibe mir treu. Unser Ziel
ist es, die elf Mio. Fehlbetrag
bis zum Ende des Jahres hereinzuarbeiten und einen positiven Saldo zusammenzubringen. Ohne dass wir diese
Rücklagen auflösen.
Beim leistbaren Wohnen
hinken Sie Ihren Zielsetzungen hinterher. Es sind
noch immer keine Vorbehaltsflächen ausgewiesen,
Planungsstadträtin Janine
Bex bat noch um mehr Zeit.
Wann wird es so weit sein?
Anzengruber: Ich habe das
jetzt zur Chefsache gemacht,
weil es mir ein bisschen zu
langsam gegangen ist. Wir setzen das aber um. Die rechtlichen Rahmenbedingungen
haben sich zuletzt geändert.
Ich hatte schon zwei Gespräche mit dem Land und erwarte mir vollständige Unterstützung und Rechtssicherheit bei
den Vorbehaltsflächen. Die
Detailabklärungen laufen, wir
haben die Grundstücke erhoben. Noch im ersten Quartal
2025 soll es so weit sein.

Das Interview führten
Michael Domanig und
Manfred Mitterwachauer