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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_09_29_Presse_OCR
- S.6
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Tiroler Tageszeitung
„Sich auf Neues in der Kunst einlassen, (Leserbrif)“, Seite 24
Sich auf Neues in der
Kunst einlassen
Thema: Diskussion über das
Landestheater.
ch könnte jetzt davon
berichten, wie gefesselt ich zuletzt vom „Liebesgesang“ in den Kammerspielen war. Und von
der unerhörten Leistung
des Komponisten, Librettisten, der Sängerin, des
Sängers, Regisseurs, Bühnenbildners und Lichtgestalters schwärmen: Der
Saal war schätzungsweise
zu 75% mit Menschen gefüllt, die neugierig auf eine
unbekannte Oper waren,
auf zeitgenössische Musik.
Aber ich muss meine
Betrachtungen anlässlich der krassen Kritik an
Intendantin Girkingers
Programmgestaltung am
Tiroler Landestheater auf
eine sachliche Ebene stellen: Da macht mich nämlich am meisten betroffen,
wie anachronistisch dieser Konflikt ist: „Der Zeit
ihre Kunst - der Kunst ihre
Freiheit“ prangt seit mehr
als 100 Jahren über der
Wiener Secession. Mindestens ebenso lange traut
man den Künstlern zu,
nicht nur Konsumgüter zu
produzieren, mutet man
freilich dem Publikum zu,
mehr als Konsument zu
sein, bereit, am Kunsterlebnis aktiv mitzuwirken!
Kunst besteht aus einem
Teil Konvention, um den
Auseinandersetzungswilligen den Einstieg zu ermöglichen, aber auch aus
einem Teil Neuem: Sonst
käme die Kultur ja nicht
vom Fleck. Dieses Neue
kann jedoch keinem demokratischen Abstimmungsprozess unterzogen
werden. Problematisch
wird es, wenn verärgerte Teile des Stammpublikums (ungeachtet der
Realität, dass nun bisher
nicht angesprochenes Publikum zum Zug kommt,
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das sich bisher nicht angesprochen gefühlt hat)
oder Politiker (die ausgerechnet dann, wenn es um
den vergleichsweise kleinen Budget-Posten Kultur
geht, ihre Finanzlage bedroht sehen) auf die Protagonisten massiv Druck
ausüben.
Seien wir doch stolz darauf, als kleines Land ein
derartiger kultureller Riese zu sein. Seien wir stolz
darauf, uns den Luxus zu
leisten, für ganze 5 Prozent
der Bevölkerung in jedem
Bundesland eine große
Bühne zu unterhalten, auf
der nicht nur Traditionen
gepflegt und biedermeierliche Ablenkung vom Alltag geboten, sondern auch
künstlerisch hochwertige
Diskussionsbeiträge zu
Gegenwart und Zukunft
geliefert werden.
Mag. art. Stephan
Obergmeiner, 6330 Kufstein