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Tiroler Tageszeitung

„Stadtgeschichte(n) mitschreiben“, Seite 14

Stadtgeschichte(n) mitschreiben

Zehn Jahre Sub(kultur)archiv, das sind gesammelte Geschichte(n) über Tiroler Punks, die
Skateszene oder Innsbrucker Kulturorte. Am 4. Oktober öffnet das Archiv seine Türen.

Von Barbara Unterthurner

Innsbruck — Vieles, was sich
in den letzten zehn Jahren in
der Feldstraße 10a angesammelt hat, galt lange als nicht
„sammlungswürdig“. Flyer,
Plakate, private Aufzeichnungen, Shirts, Videokassetten,
das Eingangsschild des berühmten Weekender-Clubs
— insgesamt über 40.000 solcher Gegenstände sind als
Datensätze des Innsbrucker
Sub(kultur)archivs inzwischen erfasst. Tendenz steigend. Recherche-Anfragen
und Material-Abgaben gibt es
am laufenden Band, erklärt
Archiv-Mitgründer Maurice
Munisch Kumar. Mit dem
Projekt schreibt er vornehmlich ehrenamtlich an einer
alternativen Stadtgeschichte
Innsbrucks (und Tirols) mit.
Und das seit zehn Jahren.
Was das österreichweit einzigartige Archivprojekt überhaupt macht, mussten Kumar und die Mitgründer Albi
Dornauer und Elmar Schaber
im letzten Jahrzehnt immer
wieder erklären. Zu Beginn
stand die gemeinsame Idee,
als Ergänzung zum Stadtarchiv mit dem Bewahren von
Originalmaterial die Entwicklungder SubkulturInnsbrucks
seit 1955 zu beleuchten. Und
damit auszuleuchten, was
zur Stadtgeschichte auch
gehört. Kulturorte wie das
Bierstindl etwa, von dem
das Sub(kultur)archiv heute
sämtliche Programme besitzt.

Bis in die Gegenwart

Aber auch soziale Entwicklungen und Szenen in ganz
Tirol wollen heute bearbeitet werden, erklärt Kumar
die Entwicklung des Projekts.
Deshalb auch die Klammer
im „Sub(kultur)archiv“. Gesammelt wird bis in die (digitale) Gegenwart. Nicht verwunderlich also, dass sich
das Sub(kultur)archiv die

Webseite des Utopia-Clubs
sicherte. Weil sich daran
wunderbar die Debatte um
die Insolvenz 2001 in der
Kommentarspalte ablesen
lasse, erklärt Kumar.

Er hat in den monatlichen
Beiträgen des Archivs im 20er
schon über die sich ab 1979
formierende Tiroler Skateszene geschrieben. Und
Dornauer zuletzt von den
Unternehmungen der Grup-

Bilder von damals: 007 hängt das Weekenderschild noch am Cfib‚ 2016 wird im Sub(kultur)archiv (Albi
Dornauer, Maurice Munisch Kumar, r.) schon gearbeitet. Heute ist obiges Schild Teil der Sammlung.

pe um Gert Chesi in Schwaz.
Dass Innsbruck in Sachen
Punk eher ein „Spätzünder“
war, hatte er vorher schon
einmal festgehalten.

Die Stadtgeschichte(n), die
sich im Sub(kultur)archiv
sammeln, basieren meist auf
Oral History. Um mehr über
die gesammelten Objekte
zu erfahren, haben sich die
Projektinitiatoren also ein
beachtliches Interviewarchiv

Seite 5 von 37

‘n
——

Böhm, Resch

angelegt. „Lücken aber bleiben“, sagt Kumar. Er selbst
etwa recherchiert zur früheren Diskothek im Keller des
Innsbrucker Hotel Central.
Aufzeichnungen dazu gibt
es fast keine. Oder Kumar
hat sie bisher nicht gefunden. Das Sub(kultur)archiv
ist eben immer auf die Erinnerung von Beteiligten oder
Überbleibsel von damals angewiesen.

Jene materiellen Zeitzeugen,
die im Sub(kultur)archiv landen, sind mitunter kurios. Dass
in Innsbruck eine „kulturkritische Stimmung“ herrscht,
wie Kumar selbst zuletzt in der
Debatte um fehlende Kulturräume festgestellt hat, wollte
der frühere ÖVP-Bürgermeister Romuald Niescher so wohl
nicht unterschreiben. Jedenfalls im Wahlkampf 1983 nicht.
„Innsbruck ist die Stadt von
heute, für aktive junge Leute,
bei uns muss niemand allein
sein, du kannst überall dabei
sein, in den Parks mit grünen
Pflanzen oder in der Disco tanzen“, so trällerte es eine Schallplatte nebst modernem Discosound. Auch so wurde früher
Wahlkampf gemacht.

Tag des offenen Archivs

Live zu sehen gibt es das und
noch mehr am 4. Oktober im
Lagerraum des Sub(kultur)-
archivs. Anlässlich des Zehnjährigen wird das Archiv sich
erstmals für Interessierte
öffnen. Ein Stöbern in der
Sammlung ist bislang nicht
möglich. Die Ressourcen dafür fehlen, muss Kumar festhalten. Nach einer Starthilfe
2014 flossen keine Förderungen mehr ins Projekt.

Inzwischen werden Kumar
und seine Kollegen vom Stadtarchiv mit Lagerplatz unterstützt. Und mit einzelnen Projektaufträgen. Wo das Archiv
hinwill, ist nach zehn Jahren
immer noch klar: Der Bestand
soll digitalisiert werden, um
den virtuellen Zugang zu ermöglichen. Von wichtigen
Kulturorten kann man online
bereits lesen. Viele davon sind
nicht mehr da-nicht umsonst
ist das Weekender-Schild von
der Tschamlerstraße in die
Feldstraße gewandert. Und
doch habe sich Innsbruck
entwickelt, weiß Kumar. „Das
sieht man heute auch daran,
wie mit Alternativkultur umgegangen wird.“