Pressespiegel seit 2021

Jahr: 2024

/ Ausgabe: 2024_06_7_Presse_OCR

- S.6

Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Dokument

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2024_06_7_Presse_OCR
Ausgaben dieses Jahres – 2024
Alle Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung

„Die letzte Fahrt der alten ‚Haller‘“, Seite 20

Die letzte Fahrt
der alten „Haller“

Vor genau 50 Jahren wurde die legendäre Lokalbahn
eingestellt. Lustige Anekdoten rund um die „Vierer“
gibt es zuhauf. Und viele hätten sie wohl gern zurück.

Von Michael Domanig

Hall, Innsbruck — Lebenserfahrene TirolerInnen erinnern
sich mit Wehmut an sie, so
mancher Lokalpolitiker würde
sie sich zurückwünschen: die
legendäre Lokalbahn Innsbruck-Hall in Tirol, landläufig
auch „Haller“, „Haller Trampel“ oder „Vierer“ (nach der
ab 1909 verwendeten Liniennummer) genannt. Als sie vor
50 Jahren, am 8. Juni 1974, einund auf Busse umgestellt wurde, ging ein langes, prägendes
Kapitel der Tiroler Verkehrsgeschichte zu Ende.

Eröffnet wurde die ca. 12 km
lange Strecke 1891: Einem
Konsortium war es nach etlichen Anläufen gelungen, eine
Konzession für die eingleisige
— anfangs mit Dampf betriebene - Schmalspurbahn zu
erlangen. Die „Haller“ symbolisiert quasi den Beginn des
modernen Öffi-Verkehrs rund
um Innsbruck, wie Walter
Pramstaller, Obmann des Vereins Tiroler MuseumsBahnen,
ausführt. Zunächst diente sie
nicht nur als Lokalbahn, sondern auch als Straßenbahn im
Innsbrucker Stadtgebiet.

Im Kampf gegen den Föhn
1909/10 wurde die Haller elektrifiziert, mit diesem Wagenpark fuhr man dann mit eher
geringfügigen Änderungen bis
zur Einstellung-ab 1941 unter
dem Dach der „Innsbrucker
Verkehrsbetriebe AG“.

Die Strecke führte in Innsbruck (Endstation war zunächst der Bergisel, später das
Wiltener Platzl, ab 1939 der
Hauptbahnhof) entlang der
Viaduktbögen in den Saggen,
am Riesenrundgemälde vorbei über die Innbrücke, weiter
über die Haller Straße Richtung Rum, dann entlang der
Thaurer Gemüsefelder und
vorbei am Tiroler Röhrenwerk
bis zum kleinen Endbahnhof
am Unteren Stadtplatz in Hall.

Wegen der Einspurigkeit
waren übrigens diverse Ausweichen nötig, etwa beim
Gasthof Dollinger oder in
Thaur. Weder Unfälle — etwa
ein Zusammenstoß mit einem
Güterzug in Loretto (1941) —
noch Bomben (1944) oder ein
vom Föhnsturm in Thaur um-

E —

Lang, lang ist’s her: Zu sehen sind die - noch dampfbetrii

Abschied für immer: Die Einstellung der „Vierer“ wurde am 8. Juni 1974
mit einem Volksfest gefeiert - die letzten Züge waren total überfüllt. sow na

geworfener Triebwagen (1954)

v

konnten den Bestand der wackeren „Haller“ gefährden.
Lustige Anekdoten rund um
die Bahn gibt es zuhauf. „Ich
stamme aus einer Eisenbahnerfamilie, in der Geld knapp
und Straßenbahnfahren Luxus
war“, sagt Walter Pramstaller.
Bei einem Schulausflug wurde
aber sehr wohl mit der „Vierer“ gefahren: Pramstaller erinnert sich, wie ein Schulkamerad, leicht alkoholisiert, im
Beiwagen einschlief und gegen einen weiblichen Fahrgast
sank - sehr zum Gaudium der
Schulkollegen ...

„Fernreise“ zum Zirkus

Der Haller Bürgermeister
Christian Margreiter weiß
noch genau, wie er als Kind
mit seinem Zwillingsbruder auf der „Vierer“ die erste
„Fernreise“ unternahm, zum
Zirkus in der Reichenau. Da
sich die Brüder dort ein Programmheft aufschwatzen ließen, fehlten die sechs Schilling
für die Rückfahrt. „Eine Dame
sah unsere Verzweiflung und
half uns“, lacht Margreiter.
Das Ende kam 1974 —- unter

,

jebene - Lokalbahn ca. 1900 am Unteren Stadtplatz i;| Hall,
die „Vierer“ ebendort anno 1955 (r. 0.) sowie eine Ausweiche bei Thaur (1974). Fotos: Sı Feutz/Stadtarchiv k (2). Gustav Stehno

Seite 6 von 8

mit dem Argument,
dass es unverhältnismäßig
teuer gewesen wäre, die Bahn
beim Neubau des Verkehrsknotenpunktes Reichenauer
Brücke zu integrieren.
Angesichts der Verkehrsbelastung in und um Hall wäre
BM Margreiter oft froh, wenn
es die „Vierer“ noch gäbe: „Die
Idee war damals, alles mit Bussen zu ersetzen. Eine Tram hat
aber doch mehr Kapazitäten
und eine eigene Fahrtrasse, so
dass ihr Staus egal sind.“
Immerhin fährt die Tram/
Regionalbahnlinie 5 seit 2023
von Innsbruck bis zum Rumer
Bahnhof (wenn auch über die
Reichenau und das O-Dorf).
Pläne für eine Verlängerung
bis Hall und damit eine Art
„Wiederauferstehung“ der Linie 4 sind aber vom Tisch.
Kleiner Trost: In der wiedereröffneten Museumsremise
der Tiroler MuseumsBahnen
kann man originale Trieb- und
Beiwagen der „Haller“ bestaunen - und Walter Pramstallers
Buch „... von Dampf zu Niederflur“, eine 368 Seiten starke
Chronik der Innsbrucker Straßenbahnen, erwerben.

D