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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_04_18_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Politisches Ritual —- aus der Zeit gefallen“, Seite 2
Von Michael Sprenger
D as ausgehende 20. Jahrhundert war
die Geburtsstunde der Wechselwähler
und Wechselwählerinnen. Die Parteienbindung, die von Familie, Berufsstand oder
Tradition vorgegeben wurde, löste sich immer
mehr auf. Die Parteien, die glaubten, sich,
egal was passiert, auf einen stabilen Sockel an
Stammwählern verlassen zu können, erleben
von Wahlsonntag zu Wahlsonntag immer
öfter ernüchternde Ergebnisse.
Dieser zerbröselnde Sockel sorgt für eine
sinkende Wahlbeteiligung. Und jene Bürgerinnen und Bürger, die zur Wahlurne schrei-
Politisches Ritual - aus der Zeit gefallen
Nach dem ersten Wahlgang der Innsbruck-Wahl übten sich Verlierer in Wahlempfehlungen für die Stichwahl. Ihnen
geht es wohl um ein Machtspiel. Mündige Wählerinnnen und Wähler haben es satt, instrumentalisiert zu werden.
ten, wurden mündiger. Bevor das Kreuz in
der Wahlzelle gemacht wird, wird von diesen
Wählern überlegt, welche Partei am ehesten
ihre Alltagssorgen und Zukunftswünsche abbildet, Antworten hierfür liefert, und welcher
Politikertyp sympathisch ist.
Dies alles können Parteistrategen alten
Schlags negi An Wahlabenden müssen
sie dann eben zur Kenntnis nehmen, erneut
zu den Verlierern zu zählen. Wenn diese
Verlierer aber dann glauben, Wahlempfehlungen für einen der beiden Stichwahl-Kandidaten abgeben zu müssen, die sie zuvor
bekämpft haben, dann kann man nur sagen:
Sie haben es nicht kapiert. Die jetzt so desas-
trös in Innsbruck gescheiterte ÖVP gehört zu
dieser Gruppe.
Jetzt gehen wir aber nicht davon aus,
dass die Verantwortlichen der ÖVP ernsthaft
glauben, dass ihre Wählerinnen und Wähler
eine Wahlempfehlung benötigen, weil sie
sonst nicht wissen, wie sie sich bei der Stichwahl entscheiden sollen. Also muss es eine
andere Erklärung geben. Sie glauben entweder immer noch an den Stammwähler, der
nur motiviert werden muss. Oder sie wollen
sich mit einer Wahlempfehlung Macht im
neuen Gemeinderat erkaufen. Man kann die
unterlegenen Parteien trösten. Wahlempfehlungen sind aus der Zeit gefallen. Wer
mit beiden Kandidaten, die noch zur Wahl
stehen, nichts anfangen kann, geht nicht zur
Wahl. Und wer hingeht, lässt sich nichts vorsagen. Der mündige Wähler könnte aus Trotz
anders wählen, weil er diese Machtspielchen
satthat. Verlierer des Wahlabends sollten
besser darüber nachdenken,
warum sie kaum Zuspruch
gefunden haben.
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michael.sprenger@tt.com
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