Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_01_28_Presse_OCR
- S.4
Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.
Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung
„Der Mensch hinter dem Opfer“, Seite 14
X
An der Laterne gegenüber der Defreggerstraße 12 wird an die ermordeten einstigen Bewohner Wolf Meier Turteltaub, Amalie Turteltaub und Gitta Scharf erinnert. — Foetos: TI/Faik
Der Mensch hinter dem Opfer
Zwölf „Zeitpunkte“ erzählen in Innsbruck
die Geschichte von Holocaust-Opfern.
Erinnerungskultur, bei der es „menschelt“.
Innsbruck - Es eint sie ein
grausames Ende - die Ermordung auf Anordnung
des nationalsozialistischen Regimes. Wer aber
waren die Opfer des Holocaust und welche Leben
führten sie in Innsbruck?
Zwölf „Zeitpunkte“ im
Stadtgebiet erzählen nun
ihre Geschichten.
Die handflächengroßen
runden Messingscheiben
mit eingravierten Namen
finden sich seit Kurzem
an Laternen und Stelen
im Stadtgebiet — jeweils
bei den einstigen Wohnhäusern jener Innsbrucker BürgerInnen, die
wegen ihres Glaubens,
ihrer Volkszugehörigkeit
oder sexuellen Orientierung erschossen bzw. in
Arbeits- oder Konzentrationslager verbracht und
getötet wurden. Ein QR-
Code führt auf die Webseite www.zeitpunkte.at, sie
gewährt Einblicke in deren Alltag. So erfährt man
in der Defreggerstraße 12
von Wolf Meier Turteltaub
und seiner Frau Amalie,
die im Parterre einen Ge-
mischtwarenladen betrieben - bis zur Novemberpogromnacht 1938.
„Wir wollen erinnern —
unserer Verantwortung für
die Vergangenheit, für die
Gegenwart und für die Zukunft bewusst. Dabei ist es
wichtig, sich nicht nur an
Seite 4 von 17
die Gräueltaten zu erinnern, sondern auch an die
Menschen. Nicht nur an
ihren Tod, sondern auch
an ihr Leben. Nicht als
Nummern, sondern mit
Namen, mit Adresse, mit
Identität, mit Geschichte.
Und nicht separiert, im
Museum, im Archiv, abgeschoben an den Rand der
Stadt, nicht auf einzelne
Gedenktage beschränkt,
sondern alltäglich und
mitten in der Stadt“, fasste
Innsbrucks Bürgermeister
Georg Willi bei der Enthüllung der Kunstwerke
gestern das Projekt zusammen. Bewusst am 27.
Jänner, es ist der internationale Gedenktag für die
Opfer des Holocaust.
Mit den Zeitpunkten
entschied sich die Stadt
gegen die vielerorts bekannten „Stolpersteine“,
und für einen eigenen
Weg der Erinnerungskultur. 100.000 Euro wurden
dafür veranschlagt, das
Stadtarchiv/Stadtmuseum mit Unterstützung
der israelitischen Kultusgemeinde, dem Institut
für Zeitgeschichte der Uni
Innsbruck und den Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB) damit beauftragt. Entscheidende Infos
zu den NS-Opferfamilien
stammen aus der Bevölkerung. Weitere Zeitpunkte
können über das Stadtarchiv oder per Mail an kontakt@zeitpunkte.at angeregt werden. (jazz)