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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_08_24_Presse_OCR
- S.8
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Tiroler Tageszeitung
„Viele Busfahrer hängen das Lenkrad an den Nagel“, Seite 17
Viele Busfahrer hängen
das Lenkrad an den Nagel
Busfahrer ist kein Traumberuf mehr. Ein Nightliner-Chauffeur berichtet von
katastrophalen Zuständen, Gewerkschaft sieh
Von Melina 0. Mittemöckler
und Wolfgang Otter
Innsbruck, Kufstein — Es war
zu viel. „Nach acht Jahren
konnte ich nicht mehr“, erzählt ein Busfahrer, der nicht
namentlich genannt werden
möchte. Er saß hinter dem
Lenkrad des Nightliners Kössen-Kufstein. „Und was ich
da erlebt habe, ist ein Wahnsinn. Betrunkene, Randalierer und Jugendliche, die mit
großen Lautsprecherboxen
den Bus beschallen.“ Darunter leide die Konzentration
und Fahrsicherheit. „Das ist
echt gefährlich und geholfen
hat dir auch niemand, wenn
die Fahrgäste aggressiv gewesen sind“, erzählt der Unterländer. Daher wundert es
ihn nicht, dass die zusätzliche Nachtbuslinie zwischen
Wörgl und Kufstein nicht zustande gekommen ist. „Da
mag niemand mehr fahren“,
wisse er aus Gesprächen mit
den KollegInnen.
Beim Verkehrsverbund Tirol (VVT) weiß man von der
Problematik. Daher setze
man bei Notwendigkeit Security-Personal ein. Zwischen
Kufstein und Kössen sei dies
in Absprache mit dem Busbetreiber derzeit bei großen
Veranstaltungen der Fall.
Nicht nur in der Nacht sind
Busfahrer Aggressionen ausgesetzt. Immer wieder kommt
es auch am Tag zu Gewalt
gegen Buslenker. Laut Martin Baltes, Geschäftsführer
der Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB), gab es seit 2022
sechs Übergriffe — alle untertags. Dabei seien drei Fahrer
verletzt worden.
„Insgesamt scheinen die
Viele Busse, aber zu wenige Busfahrer: Dienste bei Tag und Nacht, bei Unwettern, an Wochenenden und Feierta-
gen begeistern wenige - aber Mitarbeiter werden dringend gebraucht.
Vorfälle mit tätlichen Angriffen zurückzugehen, trotzdem
werden Konfliktsituationen
von unseren Mitarbeitern zunehmend als aggressiv empfunden“, sagt Baltes. Richard
Mair, Betriebsratsvorsitzender der IVB, findet, viele Menschen hätten heute eine kurze
Zündschnur und würden bei
Kleinigkeiten explodieren. Er
betont: „Die Firma sollte den
Fahrern einen Rechtsanwalt
stellen.“ Derzeit müssten sich
die Lenker selbst um Rechtsbeistand kümmern.
Die Gewerkschaft Vida ortet auch in anderen Bereichen
dringenden Handlungsbedarf, um dem Busfahrermangel entgegenzuwirken. Die
Hauptprobleme der Branche
sind laut Landessekretär Florian Guggenbichler familienunfreundliche Arbeitszeiten,
schlechte Bezahlung sowie
fehlende Pausenräume und
Toiletten. Wichtig sei den
Fahrern auch ein einhaltbarer Fahrplan. Eine im vergangenen Jahr durchgeführte
Umfrage unter 155 Lenkern
ergab, dass sich ein Viertel
starkem Stress ausgesetzt
fühlt. Lediglich fünf Prozent
gaben an, keinen Stress wäh-
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t die Verkehrswende in Gefahr.
Foto: Springer
rend der Arbeitszeit zu verspüren.
Gewerkschafter Guggenbichler sieht gar die Mobilitätswende in Gefahr: „Ohne
Fahrer wird es keinen Ausbau
des Öffi-Angebots geben können.“ Die Zahlen der Vida-
Umfrage sprechen für sich:
31 Prozent von 142 befragten Lenkern wollten im Jahr
2022 den Beruf in zwei Jahren
nicht mehr ausüben. Durch
Pensionierungen werde sich
Mair zufolge der schon bestehende Personalmangel noch
weiter zuspitzen: „Es wird eine Katastrophe werden.“