Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_12_3_Presse_OCR
- S.31
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Universität Innsbruck
Zweitens, wir überschätzen Ereignisse und unterschätzen Prozesse, viele
Führungspersonen empfinden stille Prozesse und Vorbereitungen als undankbare
Investition. Das führt dazu, dass wir - in Kommunen und Regierungen oder in den
Leitungsebenen von Banken und Gewerbe - erst dann handeln, wenn wir bereits an
der Kante des Abgrunds balancieren. Doch das ist der misslichste und der teuerste
Moment für Interventionen. Ungleich sinnvoller ist es, in Transformation und
Reformen zu investieren, solange die Ampel quasi grün ist oder wenigstens gelb.
Solange wir Visionen ausarbeiten und die Willigen und die Fähigen aktivieren
können, solange die Grundbedürfnisse aller erfüllt werden können, solange Frieden
herrscht.
Schließlich gilt es, unser ökonomisches Modell komplett umzubauen. Keine Norm,
keine Berechnung, keine Risikoeinschätzung bleibt! Vorreiterinnen und Vorreiter
sprechen von der Vision der „regenerativen Ökonomie.“ Das bringt mit sich, dass wir
unsere Volkswirtschaften, ja, unser gesamtes bisheriges System von Wirtschaft,
Werten und Wertschöpfung auf den Kopf stellen und neu denken müssen.
Welche Bedeutung haben für sie die EUnivercities, die 15 Uni-Städte in Europa, bei der
Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele?
In Europa ist die verflochtene Entwicklung von Städten und Universitäten fast
tausend Jahre alt, in Parma - einer der Städte im Netzwerk - noch älter. Die
physische Konzentration von Bürgern*innen in ihrem Lebensumfeld und den
Fragen, denen sie als Gesellschaft in ihrem akademischen Viertel nachgehen,
machen unsere Universitätsstädte zu besonderen Orten in Hinblick auf das
Rahmenwerk der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs).
Einerseits können wir unsere Städte im Lichte unserer jahrhundertelangen
Lernkurve heute als lebendige Labore für gemeinsame Forschung und Entwicklung
zwischen Stadt und Universität sehen, als Anwendungsräume für Rapid Prototyping
und für Praktiken der Partizipation und Konfliktlösung zu den SDGs.
Andererseits verfügen Universitätsstädte in Europa über eine einzigartige
Geschichte von citoyens, über so etwas wie ein „zivilistisches Privileg“ (ich nenne das
unser „civic privilege“), eine demokratische Patina. Hier haben unsere Vorfahren für
unsere politischen und sozialen Rechte gekämpft, für unsere bürgerlichen Freiheiten
und die Vielfalt. Sie haben Konflikte ausgetragen, Versöhnung geschafft und Wandel
gemeistert. All das ist in unsere Städte heute - wenn auch nicht vordergründig
sichtbar - als örtliche und kollektive Erfahrung eingeschrieben. Die demokratische
Identität unserer Städte ist besonders wertvoll in einer Zeit, in der mächtige Privat-
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