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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_09_21_Presse_OCR
- S.12
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Stadtblatt
„Ärztemangel: Das O-Dorf blutet aus“, Seite 4,5
Ärztemangel: Das
Dr. Wolfgang Hofer
ist der einzige Kassenhausarzt für einen
Stadtteil mit 7.000
BewohnerInnen.
VON ÄGNES CZINGULSZKI
IBK. Die Geschichte von Dr. Hofer hört sich wie ein Zählreim an.
2016, als er als Sprengelarzt in
Innsbruck seinen Dienst aufgenommen hat, gab es zusammen
mit ihm drei Kassenhausärzte.
2018 waren es nur mehr zwei und
seit Sommer 2022 ist er der einzige im O-Dorf.
Geplant war ursprünglich eine
Aufstockung der Ordinationszeiten und die Übernahme der
PatientInnen von Dr. Seeber, der
im heurigen Sommer in Pension
gegangen ist. Aber Dr. Hofer hat
selbst gesundheitliche Probleme
und kann nicht in dem Ausmaß
weiterarbeiten wie bisher. Die
stellt, der sogar ausgebaut werden
könnte.
Wenn man bei den Zuständigen nachfragt, ist alles in Ordnung. Die vorgesehenen Plätze
für KassenhausärztInnen in der
Gemeinde sind besetzt, sagt die
Ärztekammer und auch der verantwortliche Vizebürgermeister
streicht hervor, dass Innsbruck
im Vergleich zu anderen Gemeinden gut dastehe. Nichtsdestotrotz
räumt Vizebgm. Hannes Anzengruber (ÖVP) ein, dass die Lage im
O-Dorf keine ideale ist.
„Leuchtturmprojekt“
Ein Allheilmittel soll es aber bald
geben: Eine Primärversorgungseinheit (PVE), die zumindest vier
ÄrztInnen, Pflegepersonal, SozialarbeiterInnen etc. an einem
Standort zusammenführt. Das
größte Problem dabei: PVEs gibt
es in Tirol noch gar nicht und
somit müsste man Pionierarbeit
leisten. Dabei wäre Dr. Hofer of-
Kassenarztstelle teilt er sich nun
mit einer Ärztin. Für die PatientInnen bedeutet das im Klartext
also: seit Sommer ein Kassenarzt
weniger.
„Muss Leute wegschicken“
In der Praxis ist die Lage fatal. Sein
Team muss täglich bis zu zwanzig Personen wegschicken: „Seit
August gibt es bei uns einen Auf-
„Im O-Dorf kann es sich kaum
jemand leisten, zum Wahlarzt
zu gehen.“
DR. WOLFGANG HOFER
nahmestopp.“ Dass diese dann
einfach zum nächstgelegenen
Arzt gehen, ist dabei Utopie, denn
auch die zwei Kassenhausärzte in
Neu-Rum sind ausgelastet.
Er gibt auch zu bedenken, dass
der Stadtteil eine besonders hohe
Dichte an älterer Bevölkerung hat
— 30 Prozent ist über 65 Jahre alt.
„Meine Vertretungen befinden
sich in Wilten und in Kranebitten.
Vom O-Dorf aus ist das eine halbe
Weltreise und eine Zumutung für
alle, die krank sind.“ Außerdem
lebt hier größtenteils nicht das
Klientel, das sich einen Besuch
beim Wahlarzt leisten könnte.
Gemeinderat und IIG helfen
Er stellt den Zuständigen im
BezirksBlätter-Gespräch ein Armutszeugnis aus: „Das Problem
ist seit Jahren bekannt und trotzdem wird nichts gemacht.“ Auch
er hätte 2020 beinahe das Handtuch geworfen, wenn die Innsbrucker Immobiliengesellschaft
(IIG) und Gemeinderat Christoph
Kaufmann (Für Innsbruck) nicht
tatkräftig geholfen hätten. Seine
Räumlichkeiten im O-Dorf - eine
umgebaute _Zweizimmerwohnung - platzte von Beginn an aus
allen Nähten. Die IIG habe ihm
daraufhin einen ordentlichen Ordinationsraum zur Verfügung ge-
-Dorf blutet aus
Olympisch ist im O-Dorf die Vergangenheit, aber nicht die Geschwindigkeit, mit der man Probleme der Krankenversorgung löst.
fen für ein solches Modell, nur
fühlt er sich ein weiteres Mal im
Stich gelassen: „Ich soll jetzt alles
auf die Beine stellen, ÄrztInnen
suchen, die mitmachen, und,
und, und. Das ist ein extremer
Druck. Ich würde mir wünschen,
man kommt auf mich zu, macht
die Primärversorgungseinheiten
bei den jungen ÄrztInnen publik
oder bietet günstige Ordinationsräume an. Es gäbe viele Möglichkeiten zur wertschätzenden Zusammenarbeit.“ Er glaubt, PVEs
Foto: Ranalter
sind für die neue Ärztegeneration, die mehr im Team arbeiten,
ausgewogener leben und keine
80-Stunden-Wochen machen will,
eine ideale Lösung. „Die Patienten
brauchen ja auch einen Arzt, der
ausgeglichen und ausgeschlafen
ist und nicht nach ein paar Jahren
selbst einen Burnout hat.“ Jetzt
liegt es an Ärztekammer, Land Tirol und der Stadt Innsbruck, dass
der „Zählreim“ nicht in Erfüllung
geht, sonst bleibt im O-Dorf keiner mehr übrig.
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