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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_08_1_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„Flirrend umarmtes Stadtwappen“, Seite 12
Flirrend umarmtes Stadtwappen
Von Edith Schlocker
Innsbruck — So ziemlich jeder/jede, der/die die neue alte
Innsbrucker Innbrücke sieht,
könnte schwören, dass sie viel
breiter als vor ihrer sanften
Transformation durch Rainer
Köberl ist. Ist sie allerdings
nicht. Dass das Bauwerk, dem
die Stadt immerhin ihren Namen verdankt, so wahrgenommen wird, hat im Wesentlichen
mit der Durchsichtigkeit der
neuen Brüstungen zu tun, die
der Architekt anstelle der bisherigen gesetzt hat, die wie die
Brückenpfeiler und die durchlaufenden Randbalken teilweise massiv aus Beton waren.
Als Referenz an die bestehenden mehr oder weniger
historischen Geländer entlang
des Inns ist auch das neue aus
Schwarzstahl, bestehend an-
ders als diese allerdings aus in
zwei Reihen im Abstand von
20 Zentimetern gegeneinander raffiniert verschobenen
gebogenen Stäben. Was die
Brüstungen weniger als Gitter, sondern fast als Geflecht
daherkommen lässt, das mit
wechselndem Standort des Betrachters/der Betrachterin immer irgendwie anders ist. Zur
flirrenden Barriere wird, die
den vorgegebenen Baukörper
sanft „umarmt“, dessen Form
in stilisierter Form das Innsbrucker Stadtwappen zitiert.
Dem auch die vier dreieckigen Ausbuchtungen geschuldet sind, die die Innbrücke zu
mehr als einem Vehikel machen, um möglichst schnell
von einer Innseite auf die andere zu kommen. Sondern die
Brücke auch zur Bühne machen, um etwa die fabelhafte
Aussicht auf die Altstadt wie
die pittoreske Häuserzeile am
linken Innufer zu inhalieren.
Seit dem späten Mittelalter
steht auf der Innsbrucker Innbrücke ein Kreuz, seit 2007 das
wegen der Nacktheit des Gekreuzigten lange umstrittene
von Rudi Wach. Die Überlegungen des für den Stadt- und
Ortsbildschutz zuständigen
Beirats, auf der umgebauten
Brücke auf jedes religiöse Symbol zu verzichten, waren bald
wieder vom Tisch, genauso wie
die Diskussion, ob es, wenn
schon ein Kreuz, unbedingt
das Wach’sche sein muss.
Atmosphärisch ausgesprochen gut tun der verwandelten
Brücke die von Rainer Köberl
gemeinsam mit Manfred Draxl
entworfenen Lampen, die in
vier Meter Höhe nächtens fast
wie leuchtende Ballons über
den Köpfen der Brückengeher
zu schweben scheinen.
Das aus den frühen 1980er-
Jahren stammende Tragwerk
ist unverändert geblieben, alles darüber ist neu. Die Gehsteige und Radwege liegen nun
auf demselben, zur Fahrbahn
leicht erhöhten Niveau. Durch
schlichte Stahlgeländer ersetzt
wurden auch die Mauern zu
den vier Zugängen zur Brücke.
Dass das kleine (Strom-)Häuschen am südöstlichen Zugang
stehen bleiben musste, tut Köberl nicht weh, sehr wohl aber
das schäbige Trafohaus am
gegenüberliegenden Ufer. Die
rund 300.000 Euro, die seine
Versetzung gekostet hätte, in
die Hand zu nehmen, war der
Stadt zu viel. War ihr der kleine urbane Platz, der auf diese
Weise hätte entstehen können, offensichtlich nicht wert.
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Mehr als ein Ort, um von einem Innufer zum anderen zu kommen: die von
Rainer Köberl sanft verwandelte Innsbrucker Innbrücke.
Foto: Schlocker