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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_07_10_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Widerstand ist lernbar“, Seite 18
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1) Christina Krenmayr, Leiterin der Stadtbibliothek, mit Historiker Niko Hofinger vor den Originalurnen der Volksabstimmung 1938. 2) Das Kino zeigt einen Ahäteurfilm‚
der hinter die Inszenierung blickt. 3) Plakate zur Abstimmung auf einem Ständer, wie er auch im Herbst genützt wird, jemand hatte „Nazis raus“ draufgesprüht. Fotos: Böhm
Widerstand ist lernbar
Eine interessante Ausstellung in der Stadtbibliothek
zur Volksabstimmung in Innsbruck 1938 schlägt die
Brücke zwischen Literatur und Geschichte.
Von Alexandra Plank
Innsbruck —- An der östlichen Fassade der Stadtbibliothek prangt in
Frakturschrift die Aufforderung: „Gebt dem
Führer Euer Ja!“ Das
diesjährige „Innsbruck
liest“-Buch, 10.000 Stück
werden gratis verteilt,
stammt von Thomas Arzt
und trägt den Titel „Die
Gegenstimme“. Der Autor schildert anhand eines fiktiven Dorfes den
Tag der Volksabstimmung für den Anschluss
an Hitler-Deutschland.
Niko Hofinger vom
Stadtarchiv setzt bei der
Architektur der Ausstellung auf Wiederverwertbares und Erkennbares.
Plastikurnen aus dem
Keller der Stadtbibliothek
schaffen ein Mini-Kino,
in dem ein siebenminütiger Film über Hitlers Ankunft in Innsbruck läuft.
Wahlkabinen, wie wir sie
bald wieder nutzen werden, schaffen den Bezug
zwischen einst und heute.
Schaut man in Richtung Nordkette, sieht
man ein unscharfes Foto, das Hitler grüßend im
Zug von München kommend zeigt. Gerade fährt
ein Güterzug vorbei und
man erhält den Eindruck,
der Zug auf dem Plexibild würde sich bewegen.
Christina Krenmayr, Leiterin der Stadtbibliothek,
freut sich, dass es heuer
besonders gut gelungen
ist, das Buch in einen
historischen, aber auch
aktuellen - wir wählen ja
wieder im Herbst —- Zusammenhang zu stellen:
„So macht Literaturver-
mittlung Spaß.“ Die Originalstimmzettel - großer
Kreis für Ja - zeigen, dass
alles darauf ausgelegt
war, die Abstimmung für
den Anschluss ausgehen
zu lassen. „Eine für den
13. März unter Schuschnigg geplante Volksbe-
‚ ‚ Ohne jede Not
haben sich die
österreichischen
Bischöfe für den
Anschluss ausgesprochen.“
Niko Hofinger (Historiker
Stadtarchiv)
fragung fand dann mit
völlig anderer Fragestellung am 10. April 1938
statt“, so Hofinger. Die
NSDAP war so kleingliedrig strukturiert, dass sie
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Zugriff auf jeden Bürger
hatte. Doch auch in Innsbruck gab es wie in Thomas Arzts Roman einige
wenige Gegenstimmen.
Die Ausstellung zeigt als
ein Beispiel den Vater von
Jussuf Windischer, Leiter des Waldsalettls und
lebenslanger Widerständiger für die Armen und
Ausgegrenzten. Ist das
Schwimmen gegen den
Strom vererbbar? „Widerstand ist lernbar“, erklärt der Historiker. Auch
die unrühmliche Rolle
der Amtskirche während
der NS-Zeit wird gezeigt.
„Ohne jede Not haben die
österreichischen Bischöfe
dazu aufgerufen, für den
Anschluss zu stimmen“,
erläutert er. Die Volksabstimmungen, die abgesagte und die manipulierte, werden aber auch
in Beziehung zu jener
im Jahr 1921 gesetzt. Im
Jahr 1938 stimmten rund
98 Prozent der Innsbrucker für den Anschluss
an Hitler-Deutschland.
„Die Nordtiroler erhoff-
ten sich mit Rückenstärkung Deutschlands die
Rückgabe von Südtirol“,
so Hofinger. Auch Erkenntnisse, die in den
Geschichtserzählungen kaum präsent sind,
erfährt man: So waren
die Stimmzettel in der
Zwischenkriegszeit von
Männern und Frauen
unterschiedlich. Man
wollte kontrollieren, ob
die Frauen, die erst 1919
erstmals wählen durften,
den Erwartungen entsprachen. Juden waren
übrigens bei der Volksabstimmung ausgeschlosssen, mit ihrer Auflistung
hatte man das erste Innsbrucker Register, das zur
Grundlage für die weitere
Verfolgung wurde.
Innsbruck liest
Führungen: Die Ausstellung ist bis
13. August 2022 in der Stadtbibliothek
während der Öffnungszeiten zu sehen.
Führungen mit Hofinger finden am 19.
und 28. Juli um 18 Uhr statt.
Hörbuch: Erstmals gibt es auch ein Hörbuch. Den QR-Code auf den Lesezeichen,
Programmen oder Plakaten mittels Smartphone scannen oder auf der Homepage
der Stadtbibliothek downloaden.