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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_05_12_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„Polit-Groteske um Aufsichtsrats-Nominierung“, Seite 14
Polit-Groteske um
Aufsichtsrats-Nominierung
ÖVP, FI und FPÖ verhinderten Wiederbestellung von David Prieth im
Landestheater-Aufsichtsrat. Grüne sehen Affront gegen freie Szene.
Von Michael Domanig
Innsbruck —- Die technischen
Probleme bei der gestrigen
Stadtsenats-Pressekonferenz
waren wie eine Metapher für
die atmosphärischen Störungen in der Innsbrucker Stadtregierung — die neben vielen
anderen Bereichen längst
auch auf die Kulturpolitik ausstrahlen. Bei der Nominierung
der städtischen VertreterInnen für den Aufsichtsrat des
Tiroler Landestheaters (TLT),
bisher eher Formsache, kam
es zum Eklat: Während Christine Oppitz-Plörer (FI) und
Irene Heisz (SPÖ) wiederbestellt wurden, blieb dies dem
dritten bisherigen Aufsichtsrat versagt: Für den von den
Grünen nominierten, jedoch
nicht parteipolitisch aktiven
Kulturexperten David Prieth
gab es gestern drei Pro-Stimmen, aber vier Enthaltungen,
nämlich von FPÖ, ÖVP und FI
— die somit Prieths Wiederbestellung verhinderten.
Die Grünen schäumen: Man
habe Prieth bewusst als Vertreter der freien Kulturszene(n)
nominiert, um deren Austausch mit dem Landestheater
zu unterstützen und so „Kooperationen zwischen Kulturschaffenden verschiedener
Sparten zu forcieren“, erklärte
BM Georg Willi hörbar erregt.
Zugleich stehe man damit für
eine „Entpolitisierung im Aufsichtsrat“. Dass die „rechtskonservativen Parteien“ die
Bestellung des einzigen Nicht-
Politikers unter den von der
Stadt Nominierten „ohne Begründung“ verweigert hätten,
sei unverständlich und „kleingeistig“: „Geht es gegen mich
als Bürgermeister?“
Noch schärfer die Reaktion
von Willis Parteikollegin Kulturstadträtin Uschi Schwarzl:
Im Stadtsenat sei ein „Tabu-
Vom Austausch zwischen Landestheater und freien Szenen hätten beide
Seiten profitiert, sagt der nun demontierte Aufsichtsrat David Prieth. fos: Fa
bruch“ passiert: Bisher sei
es stets Usus gewesen, „dass
Fraktionen die Vorschläge anderer nominierungsberechtigter Fraktionen akzeptieren
und sich da nicht einmischen.
Diese gute Praxis wurde heute
zu Grabe getragen.“ Zugleich
sei die Entscheidung „ein verheerendes Signal an die freien
Szenen“.
Vize-BM Hannes Anzengruber (ÖVP) brachte in der
von offenem Streit geprägten
Video-Pressekonferenz dann
doch eine Begründung aufs
Tapet - eine, die nur noch
mehr Aufregung auslöste:
Dass man sich beim Vorschlag
der Grünen enthalten habe,
erklärte er mit der Abberufung von Tanztheaterchef
Enrique Gasa Valga durch die
designierte neue Landestheaterchefin Irene Girkinger.
Die Vorgangsweise sei „nicht
okay“ gewesen, auch im Hinblick auf die hohe Anerkennung und Wirtschaftlichkeit
der Tanzcompagnie. BM Willi
als politischer Eigentümervertreter - gemeinsam mit LR
Beate Palfrader (ÖVP), Anm. —
habe die anderen Fraktionen
in dieser Causa nicht informiert bzw. eingebunden.
Schwarzl nannte Anzengrubers Argumentation „grotesk“: „Was hat die Nominierung eines Aufsichtsrates bitte
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mit der Entscheidung der Eigentümervertreter über die
Intendanz zu tun - und deren
Entscheidung über Enrique
Gasa Valga?“ Auch Willi nannte es „an den Haaren herbeigezogen“, beides zu verquicken. Die Bestellung der
neuen Intendantin sei nach
Anhörung einer Fachjury auf
deren Empfehlung erfolgt.
Und in die freien künstlerischen Entscheidungen einer
Intendanz habe sich die Politik aus gutem Grund noch nie
eingemischt.
Für Marco Frei, Kultursprecher der Alternativen Liste Innsbruck, passt es „zum
Provinz-Image der ‚Weltstadt‘
Innsbruck“, eine Person, „die
zwischen allen Kulturspielarten und -szenen vermitteln kann und allseits, sogar
bundesweit, respektiert wird,
aus bloßem parteipolitischen
Tauziehen aus dem Aufsichtsrat zu bugsieren“.
David Prieth selbst sieht in
der Stadtsenats-Entscheidung
„ein Zeichen extremer Nicht-
Wertschätzung“. Die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat
— seine Tätigkeit übte er übrigens gratis aus, Sitzungsgelder
gebe es erst in Zukunft —- habe
sehr gut funktioniert: „Vom
Austausch zwischen den etablierten, landes- bzw. stadtnahen Einrichtungen und den
freien Kulturszenen haben
beide Seiten profitiert.“ Auch
bei Veranstaltungen wie dem
„Alles Gute!“-Festival am Landestheater-Vorplatz habe sich
das positiv ausgewirkt. Doch
offenbar werde „auf allen
Ebenen versucht, alles, was
auch nur den Anschein von
Grün-Nähe hat, zu sabotieren“. Über das Gasa-Valga-Argument kann Prieth indes nur
schmunzeln: „Es gibt wohl
kaum eine Entscheidung, von
der ich weiter weg wäre.“