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Jahr: 2022

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Tiroler Tageszeitung

TirolerseTageszeitung

„Wer (k)ein Recht auf Stadt hat“, Seite 6/7

27.2.2022

Wer (k)ein Recht auf Stadt hat

Was eine Tat vom Februar
1994 und ein vergessenes
Denkmal mit unserer
heutigen Zeit zu tun haben.

n der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1994
kam es in Innsbruck zu einem furchtbaren Verbrechen. Wolfgang Tschernutter, Ende 30, wohnungslos, wurde von zwei Jugendlichen beim
Hallenbad Höttinger Au so massiv verprügelt,

dass er kurze Zeit später starb.

Einer der Täter soll rechtsextremem Gedankengut nahegestanden sein. Beide wurden zu
mehreren Jahren Haft verurteilt. Auf Initiative
von Innsbrucker Sozialeinrichtungen schuf der
Kramsacher Künstler Alois Schild ein „Denkmal“. Die Stadt untersagte dessen Aufstellung in
der Innsbrucker Innenstadt, sodass es schließlich
auf der Franz-Gschnitzer-Promenade hinter dem
Hauptgebäude der Universität, am so genannten

„Sonnendeck“, seinen Platz fand.

Die heute weitgehend vergessene Tat und das
ebenso vernachlässigte Denkmal symbolisieren

den industriellen Umgang mit Minderheiten“ hat im Jahr 2022 nichts an
Bedeutung verloren.

Rechtsextreme Gewalt und rassistische Angriffe sowie

innert wird. Daher ist es erforderlich,
brisante soziale und politische Themen, die in der breiteren Gesellschaft
keine Jahrestage - und demnach keine

Geschichte — besitzen,

gesellschaftspolitische Entwicklungen
um _Wohnungsnot,
Bettel- und Nächtigungsverbot sowie

Brief an Tirol
Von Benedikt Kapferer

beim Namen zu nennen. Das betrifft ganz
besonders die Ausgegrenzten und Diskriminierten: Menschen

ganz allgemein im

Umgang mit den „anderen“ verdeutlichen dies einmal mehr. So ist es
auch die Corona-Krise, die schwächer
gestellte Menschen seit Beginn der
Pandemie vor zwei Jahren noch tiefer
in die Not gedrängt hat.

Während die einen zu den Gewinnern der „Industrialisierung 4.0“ zählen und ihre Umsätze vervielfachen,
fürchten andere täglich um ihre Existenz. Menschen ohne Wohnversorgung waren und sind dem Virus regelrecht ausgeliefert. Sich den Namen
und die Geschichte von Wolfgang
Tschernutter bewusst zu machen,
wäre ein erster Schritt zur Sichtbar-

mit Erfahrungen von
Migration, Flucht und Vertreibung,
Kolonialismus oder Gewalt; jene, die
selbst über keine Stimme verfügen
— mangels Meldeadresse oder Staatsbürgerschaft nicht einmal über eine
Wahl-Stimme.

Nicht zuletzt sind es auch die heutigen Gemeinderatswahlen in Tirol,
die ein „Recht auf Stadt“ und Phänomene von Ausgrenzung berücksichtigen sollten. Obwohl —- oder gerade
weil — 28 Jahre danach keine runde
Zahl sind, wäre es Zeit, sich auch an
Wolfgang Tschernutter zu erinnern..

die Notwendigkeit einer inklusiven Erinnerungs-

kultur jenseits der üblichen Jahrestage. Gleichzei- maäg::%:‘äf;‚% Er-

tig wirft dies die Fragen auf, wer in unserer Gesell- innerungskultur sollte sich der Blick

schaft heute (k)ein „Recht auf Stadt“ besitzt und o darauf richten, an Mag. Benedikt Kapferer ist

wo Teilhabe und Teilnahme nicht möglich sind. oder was nicht er am
Die am Mahnmal hinterlegte Botschaft „gegen 17 rrl

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