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Jahr: 2022

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Tiroler Tageszeitung

„‚Das Landhaus war die Schaltzentrale der NS-Gräuel‘“, Seite 18

„Das Landhaus war die
Schaltzentrale der NS-Gräuel“

Das Autorenteam Christian
Mathies und Hilde Strobl spricht
über die Bedeutung des Tiroler
Landhauses als Täterbau und
Probleme der Aufarbeitung.

Warum hat es so lange
gedauert, bis man sich
mit der Vergangenheit
des Landhauses beschäftigt hat?
Christian Mathies: Die
Tiroler Politik, vor allem
die ÖVP, ließ sich erst zwei
Jahrzehnte später auf die
Auseinandersetzung mit
der NS-Vergangenheit
ein. Seit einigen Jahren
wird die Aufarbeitung
gefördert, das Landhaus-
Projekt ist ein Beispiel.
War das Gauhaus der
wichtigste Repräsentationsbau Tirols?
Hilde Strobl: Er ist nicht
sofort als NS-Bau erkennbar, auch wenn die
Hauptfassade typische
Motive zeigt. Das Landhaus diente nur bedingt
repräsentativen Zwecken.
Der Platz davor wurde
nicht ausgebaut, Aufmärsche fanden am Hofgarten
statt. Hitler forderte im
Rahmen der „Neugestaltung deutscher Städte“
Gauforen. So eines hätte
an der Stelle des Bahnhofs
entstehen sollen.
Wie problematisch war
die Finanzierung?
Mathies: Sie zeigt, dass
zu Recht von einem „Täterbau“ die Rede ist. Die
Verfolgungsmaschinerie
des NS-Regimes bildet
das Fundament der Landhauserweiterung. Die
Gauleitung entzog kirchlichen Einrichtungen
Vermögen und wickelte
Liegenschaftsankäufe in
der Meraner Straße über
die Weitergabe geraub-

ter Wohnhäuser ab. Sie
stammten von verfolgten
Innsbrucker Juden.
Gab es eine Wiedergutmachung?
Mathies: Die Familien,
die das „arisierte” Eigentum erworben hatten und
nach 1945 zurückgeben
mussten, versuchten ihre
einstigen Häuser von der
Landesregierung zu bekommen. Dass die Errichtung des Regierungszentrums in Zusammenhang
mit der NS-Zeit stand,
stellte das Land in Abrede. Die Ankläger erhielten
nur Vergleichszahlungen,
ihre Häuser blieben im
Besitz des Landes.
Inwieweit ist die Bürokratisierung des Völkermordes, schlimmstes
Beispiel Wannseekonferenz, dort erfolgt?
Mathies: Der Komplex
war die Schaltzentrale der
Verbrechen, die auch an
den Schreibtischen vorangetrieben und abgewickelt wurden. Fast alle

Z

staatlichen Abteilungen
und Parteidienststellen
waren hier untergebracht.
Gauleiter Hofer residierte
bis zur Ernennung zum
Obersten Kommissar der
„Operationszone Alpenvorland“ im ersten Stock.
Die bürokratischen Fäden, auch für den NS-
Völkermord, liefen hier
zusammen.

Welche Zeichen erin-

nern noch heute an die

einstige Verwendung?

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Strobl: Entfernt wurden
der Reichsadler an der
Ostfassade sowie schmiedeeiserne Balkon- und
Fenstergeländer mit Hakenkreuzmotiven. Mit
der Inbesitznahme des
Gebäudes durch die Landesregierung wurde der
einzig sichtbare Eingriff
vorgenommen und 1960
an der Südfassade der
„Zenoburger Adler“ angebracht. Das geschah für
die Feierlichkeiten zum

Überm Täterbau wehte die NS-Flagge: Ein Buch zeigt die Geschichte des Landhauses auf. fow: Sixtarhir

150-jährigen Jahrestag
des Tiroler Volksaufstandes - ein Zeichen für die
Rückbesinnung auf die
Bedeutung der Südtirolfrage und vor allem die
Rehabilitierung der Wehrmachtsgeneration.

Der Text der Tafel am

Landhaus wurde kriti-

siert, ist er gelungen?
Strobl: Wir haben dazu im Landtag Stellung
genommen und waren
nicht in die Verfassung
des Wortlautes integriert.
Dass die Tafel eher versteckt angebracht ist,
finden wir bedauerlich.
Das scheint Auflagen des
Denkmalamtes geschuldet. Dies ist aber nur eine
der Maßnahmen, die folgen sollen, die in Bezug
auf die Vermittlung, Aufarbeitung und Auseinandersetzung hoffentlich
weitreichender sind als
das Anbringen einer Tafel.

Das Interview führte
Alexandra Plank