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Jahr: 2023

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Tiroler Tageszeitung

„Einklang und Misstöne“, Seite 2

Von Marco Witting

en Gleichklang auf der politischen
D Orgel haben in den vergangenen

Jahren und Jahrzehnten die bürgerlichen Kräfte in Innsbruck selten geprobt.
Es ist zwar einigermaßen verwegen, von
einer „historischen“ Einigung zwischen Für
Innsbruck und ÖVP zu sprechen, wo doch
letztlich beide eine gemeinsame politische
Heimat haben. Bemerkenswert ist der
Schritt nach drei Jahrzehnten der Spaltung
aber trotzdem. Nach vielen Misstönen,
Scharmützeln und beinharten Auseinandersetzungen (nicht nur rund um Wahlen) will
man jetzt also als „Bündnis der Mitte“ zum
Angriff auf das Bürgermeisteramt blasen.
Das geschieht nicht aus plötzlich wiederent-

Leitartikel

deckter Liebe, sondern aus purem Pragmatismus und weil es mit Bürgermeister Georg
Willi einen gemeinsamen Gegner gibt, der
nebenbei so viel Angriffsfläche geboten hat,
dass man mit einem Wahlerfolg spekulieren
darf.

Neben dem Reibebaum Willi, an dem
sich FI und ÖVP zuletzt schon einträchtig
abarbeiteten, brauchte es zur Zusammenarbeit noch eine neuen Dirigenten, der die
beiden Gruppen in die nächste Wahl führen
und den Wahlerfolg orchestrieren soll. Den
hat man — wenig überraschend — in Florian
Tursky (ÖVP) gefunden. Doch der Noch-
Staatssekretär für Digitalisierung ist für
seine Komposition bereits unter Zugzwang.
Eigentlich wollte das bürgerliche Lager erst
einmal das Lied vom Heilsbringer Tursky

und der eigenen Einigkeit trällern. Doch
dann kam der amtierende VP-Vizebürgermeister Hannes Anzengruber und hat mit
seinem überraschenden Solo einen Strich
durch diese Partitur gemacht. Egal, ob Anzengruber nur den Preis für seine politische
Zukunft nach oben treiben will oder sogar
mit einer eigenen Liste antritt — die Misstöne
sind weithin hörbar. Vom erhofften Einklang
keine Spur. Das erhöht sofort die Chancen
der Grünen mit Georg Willi, aber auch der
FPÖ mit Vize Markus Lassenberger.

Tursky muss noch etwas beweisen.
Dass der plötzliche Einklang nicht nur
darauf beruht, dass Parteigranden (wie
Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer
oder KO Lucas Krackl) ihren Fixplatz in der
ersten Reihe zugesichert bekommen haben,

Einklang und Misstöne

Der Zusammenschluss von ÖVP und Für Innsbruck ist ein bemerkenswerter Schachzug und macht die
Innsbruck-Wahl 2024 noch spannender. Doch der Dirigent für das „Bündnis der Mitte“ steht schon unter Zugzwang.

sondern dass er mit einer eigenen Liste den
Taktstock in der Hand hält.

Die Inszenierung der persönlichen Erklärung Turskys am Bergisel war irgendwie
sinnbildlich für die aktuelle Lage. Alles sehr
ambitioniert. Durchaus mit Pathos vorgetragen. Doch bei der Live-Übertragung
auf Facebook mit kräftigem Rauschen im
Hintergrund. Entgegen der zur Schau getragenen Einigkeit im bürgerlichen
Lager sind da eben noch
etliche Misstöne.

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