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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_12_11_Presse_OCR
- S.6
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Tiroler Tageszeitung
„Wer nicht räumt, macht sich strafbar‘“, Seite 16
Wer nicht
räumt, macht
sich strafbar
Vorsicht, rutschig: Entfernen
Hausbesitzer den Schnee
am angrenzenden Gehsteig
nicht, drohen ihnen teilweise
empfindliche Strafen.
Von Judith Sam
Innsbruck - Frau Holle schien
zuletzt in Weihnachtsstimmung zu sein, so emsig, wie
sie ihre Kissen schüttelte.
Während Skifahrer über die
Schneemassen jubeln, stöhnen Hauseigentümer. „Gemäß Straßenverkehrsordnung müssen Eigentümer
von Liegenschaften dafür
sorgen, dass Passanten angrenzende Gehsteige gefahrlos passieren können“, schildert Martin Bleckmann. Der
Rechtsexperte des Bundesministeriums für Klimaschutz
und Mobilität weiß, worauf
Private beim Schneeschaufeln achten müssen:
Muss der gesamte Gehsteig
schneefrei sein?
Diesbezüglich ist die Antwort des Rechtsanwalts für
Schneeräumer nicht allzu erfreulich: „Grundsätzlich sind
Gehsteige und Gehwege in
ihrer gesamten Breite zu räumen. In welchem Umfang
die Pflichten konkret bestehen, kann aber die Gemeinde
festlegen.“ Um genau zu sein,
gilt, dass Gehsteige, -wege
und Stiegen, die von Fußgängern genutzt werden, schneefrei sein müssen: „Bei Glatteis
muss man zudem streuen.“
Das gilt für die gesamte Länge
des Grundstücks — vorausgesetzt, dass der Gehsteig maximal drei Meter von dessen
‚ , Räumpflicht besteht für Eigentümer einer Liegenschaft
nur zwischen sechs Uhr
morgens und 22 Uhr.“
Martin Bleckmann
(Rechtsanwalt)
Grenze entfernt ist. Liegt er
weiter weg, sind Gemeinde
oder Stadt verantwortlich.
Sind Hauseigentümer vom
Sch haufeln befreit,
wenn sich früher etwa ein
Gehsteig vor dem Grundstück befand, der von der
Gemeinde entfernt wurde?
Leider nein. Es sei ein Irrglaube, dass dann öffentliche Dienste zuständig sind:
„Wenn kein Gehsteig vorhanden ist, müssen Eigentümer
den Straßenrand einen Meter
breit säubern und streuen.“
Kann man die Art des
Streuguts selbst wählen?
Laut Bleckmann, der auch
den Verein für Konsumenteninformation (VKI) berät,
haben Städte und Orte meist
eine bevorzugte Variante:
„Der Eigentümer muss sich
dem nicht anschließen und
kann etwa zwischen Kies oder
Salz wählen.“ Vorgeschrieben sei, dass es sich um etwas
Umweltschonendes handelt.
Manche Salze könnten Gras
oder Erde strapazieren. Auch
nach dem Tauen des Schnees
kann sich der Eigentümer
nicht entspannt zurücklehnen. „Denn dann muss er das
verbliebene Streugut entfernen“, ergänzt der Autor des
Buchs „Wenn Nachbarn nerven“ (VKJ).
Heißt das, dass der Eigentümer inmitten einer verschneiten Nacht aufstehen
muss, um zu räumen? Keine
Sorge, die Räumpflicht besteht lediglich zwischen sechs
Uhr morgens und 22 Uhr.
Darf man auch am Tagesrand seine lautstark brummende Schneefräse nutzen?
Das ginge meist problemlos,
wenn sie die 35 Dezibel nicht
überschreitet: „Man könnte
hier argumentieren, dass das
öffentliche Interesse, nicht
auszurutschen, mehr wiegt
als der Schlaf des Einzelnen.“
Zudem ende die Nachtruhe
oOhnehin um sechs Uhr.
In welchen zeitlichen Abständen muss geräumt werden? Eine Grenze der Zumutbarkeit könne man nicht
festlegen. Klar ist hingegen,
dass juristisch gesehen eine
Streuung mehrmals pro Stunde erforderlich sein kann.
‚ ‚ Wirft ein Eigentü-
mer Schnee auf die
Straße, kann er wegen
sorgfaltswidrigem Verhalten haften.“
Martin Bleckmann
(VKI-Rechtsexperte)
Was gilt, wenn es schneit,
während der Eigentümer auf
Urlaub oder erkrankt ist?
Egal, aus welchem Grund er
nicht die Schaufel schwingt
— der Gehsteig muss präpariert werden: „Auch wer den
ganzen Tag arbeitet, muss
delegieren und einen Räumdienst engagieren.“ Auch der
Mieter könne zum Räumen
beauftragt werden - wenn
sein Mietvertrag dies beinhaltet.
Haftet der Eigentümer,
wenn er einen Räumdienst
bucht, der die Arbeit bei intensivem Schneefall nicht
rechtzeitig erledigt? Kann
der Eigentümer belegen, dass
er nicht verantwortlich ist,
haftet der Räumdienst wegen
Organisationsverschulden.
Das heißt, dass der sich zu viel
Arbeit aufgehalst hat oder die
Personal- oder Maschinenkapazitäten nicht reichen.
Kann man diese Dienste
auch nutzen, wenn Dachlawinen oder Eiszapfen zur
Gefahr werden? Ja, denn laut
Judikatur ist der Eigentümer
auch verantwortlich, die zu
entfernen: „Ist das unmöglich, muss man den Bereich
für Passanten sperren.“
Die Frage aller Fragen:
Wohin mit all dem Schnee?
Die Versuchung, ihn zum
Nachbarn oder auf die Straße zu schmuggeln, ist groß.
„Das geht natürlich nicht“,
warnt Bleckmann. Kommt es
auf der Straße wegen hingeworfenem Schnee zu einem
Unfall, kann der Eigentümer
wegen sorgfaltswidrigem
Verhalten haften. Es gebe allerdings ein ungeschriebenes
Gesetz, dass man Schnee auf
öffentlichen angrenzenden
Grünstreifen ablegen darf.
Die Entsorgung in Bächen
und Flüssen ist sehr umstritten: „Hier kann es sogar zu
empfindlichen Verwaltungsstrafen kommen, wenn verunreinigter Schnee das Gewässer kontaminiert.“
Gibt es Regeln, an die sich
Passanten halten müssen?
Bleckmann kennt Schadenersatzfälle, bei denen geschädigte Passanten Mitverschulden traf oder der
Eigentümer sogar straffrei
davonkam: „Der Fußgänger
muss Kleidung und Schuhe tragen, die der Witterung
entsprechen. Glatte Sohlen
können, wie abgefahrene
Autoreifen, juristisch zum
Problem werden.“
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