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Jahr: 2025
/ Ausgabe: 2025_04_14_Presse_OCR
- S.4
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Tiroler Tageszeitung
„‚Da dürfen wir nicht zuschauen‘“, Seite 14
„Da dürfen wir nicht zuschauen“
Wenn die Tochter nicht mehr in der Lage ist, sich um ihre pflegebedürftige 90-jährige Mutter zu
kümmern: ein Fall, der zeigt, dass Krankenhäuser und Pflegeheime an ihre Grenzen stoßen.
Von Michaela S, Paulmich!
Innsbruck — Über 90 Jahre alt
sind die Eltern einer Leserin
bereits, während der vergangenen Jahre hat sie sich um
die beiden gekümmert. Doch
dann brach bei ihrer Mutter
eine Lungenentzündung aus,
sie musste ins nhaus
und ist jetzt ein Vollpflegefall.
Die Tochter — selbst körperlich beeinträchtigt — schafft
das jetzt nicht mehr alles, und
einen freien Heimplatz für ihre Mutter gab es auch nicht.
Wohin nach dem Krankenhaus-Aufenthalt? Steht
die Entlassung bevor, finden
sich viele Angehörige von
plötzlich pflegebedürftigen
Menschen in einer schwierigen Situation - manche, weil
sie selbst schon älter und gebrechlich sind, andere stehen noch voll im Berufslieben
oder fühlen sich mit der Aufgabe schlicht allein gelassen
und überfordert. Auch eine
24-Stunden-Pflege ist nicht
immer möglich — oft schlicht
aus Platzgründen. Viele leben
in sehr kleinen Wohnungen.
Verzweifelte Menschen
„Viele wissen nicht mehr
ein noch aus“, sagt Tirol-
Kliniken-Sprecher Johannes
Schwamberger. „Da sitzen
dann oft verzweifelte Leute
bei uns, die in Tränen ausbrechen, weil sie niemanden haben, der sich um ihren Vater
oder ihre Mutter kümmern
kann.“ Laut Schwamberger
gibt es durchwegs rund zwei
Dutzend Patienten, die das
Innsbrucker Krankenhaus eigentlich verlassen könnten,
Pflegestufe abgelchnt,
bräuchte es mehr Alternativen.“
Hubert Innerebner
(Innsbrucker Soziale Dienste)
Wohin, wenn es nach dem
aber weiterhin Betten besetzen — mangels einer alternativen Betreuung. Abgesehen
davon, dass die Krankenhäuser nicht auf itpflege
eingerichtet sind, werden
hier auch Betten besetzt, die
entstehen Tragödien.
Da können wir nicht
zuschauen.“
Georg Berger
(Obmann ARGE Altenheime)
für andere Patienten benötigt werden. Letztlich könnte
deshalb auch iger operiert werden, so der Klinik-
Sprecher.
In Pflegeheimen stehen wegen des Pflegepersonal-Man-
‚ Es ist nicht überall möglich, dass
Patienten während der
Wartezeit im Krankenhaus bleiben können.“
KarkJosef Schubert
(Präsident Gemeindeverband)
mmnu
gels wiederum Betten leer,
wodurch sich für viele Einrichlungen die Frage stellt,
wer aufgenommen werden
soll. In Tirol ist — wenn auch
nicht offiziell, aber de facto —
eine Aufnahme ab Pflegestufe3 möglich. Denn die Tarife
für die Stufen 1 und 2 seien
vom Land eingefroren worden, sagt Hubert Innerebner,
Geschäftsführer der Innsbrucker Sozialen Dienste (ISD).
Erst ab Stufe 4 ins Heim
In einigen anderen Bundesländern gilt eine Aufnahme
erst ab der noch höheren
Stufe 4. Über eine Ei
dieses Modells wem
auch schon in Tirol diskutiert,
er spricht sich aber klar dagegen aus: „Das halte ich für
verfehlt“, sagt Innerebner, der
Mitglied im Ausschuss Pflege ist, in dem das Land Tirol,
der Gemeindeverband und
die Stadt Innsbruck vertreten
sind. Dort werden unter anderem Tarife und Rahmeni besprochen.
Laut Gemeindeverbands-
Präsident Karl-Josef Schubert
bräuchte es eine gute Abstimmung zwischen den Heimen
und äen ä Es
Patienten während der Warte-
zeit für einen freien Heimplatz
im Krankenhaus blel.lili"enmtü"l—
nen. Für Georg Berger, Obmann der ARGE Altenheime
Tirol und Leiter der Wohnund Pflegeheime der Stadt
Hall, ist die Pflegestufe ein
grober Richtwert für die Aufnahme in ein Seniorenheim,
der oft nicht zutrifft. „Sind
Menschen unterversorgt,
entstehen Tragödien. Da gehen viele unter, da dürfen wir
nicht zuschauen.“ Wer einen
Platz braucht, sollte auch einen bekommen, das sei das
yra Ga
Ziel. „Bei aller Wirtschaftlichkeit müssen wir auch auf die
Menschen schauen.“
Zumindest für unsere Leserin gibt es letztlich eine g:-
te Nachricht: Ihre Mutter hat
einen Heimplatz bekommen.
Fakten, Regelungen
Pflegestufen: Laut offizießer
Berechnung gilt bei Pflegestufe 3
ein Pfegebedarf von mehr als 120
Sturden im Monat, bei Stufe 4
sind es mehr als 160 Stunden,
höchste Stufe ist 7 (mehr als 180
Stunden, die Betroffenen sind
anzahl wird im Rahmen einer
Begutachtung festgelegt.
Beistandspflicht: In Österreich
gibt es eine Beistandspflicht für
Angehörige, sie umfasst auch die
Pflege. Entscheidend ist aber der
Einzelfall.
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