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Jahr: 2025

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Kurier

„Ich habe die Flucht nach vorne ergriffen‘“, Seite 26

„Ich habe die Flucht nach vorne ergriffen“

Florian Tursky. Wie der Ex-Staatssekretär die Niederlage als Innsbrucker Bürgermeisterkandidat verdaut hat,
welche Bedeutung der Cartellverband in der ÖVP hat, und worüber er im Vodafone-Thinktank nachdenkt

SOr —
salomon

Der Tiroler hat Österreich den Rücken gekehrt, lebt in der Schweiz
und pendelt nach Deutschland.
**
KURIER: Sie sind erst 36, haben Ihre
politische Karriere aber schon hinter sich. Sind Sie nun von der Politik „geheilt“?
Florian Tursky: Jeder, der mich
kennt, weiß, dass ich ein politischer
Mensch bin. Jetzt bin ich einmal die
nächsten Jahre in der Privatwirtschaft und freue mich darauf.

Sie kamen aus dem Marketing, waren davor schon Chef der Jungen
ÖVP Tirol. 2017 hat Sie Landeshauptmann Platter geholt: zuerst
als Sprecher, dann als Büroleiter.
War er Ihr Mentor?

Nicht wirklich. Wir kamen aus
zwei völlig unterschiedlichen Welten in der Volkspartei: Was für ihn
die Blasmusik war, war für mich der
Cartellverband. Ich bin eher urban
geprägt gewesen, während er als
Burgermcxster aufgestiegen ist. Er
hat mir später einmal gestanden,
dass er überhaupt nicht sicher war,
ob das mit uns funktioniert. Aber ich
habe sehr viel von ihm gelernt —
unter anderem, dass es kein Nachteil ist, unterschätzt zu werden. Und
er hatte ein gutes Bauchgefühl dafür, was die Menschen bewegt.

Wie wichtig ist der Cartellverband
in Ihrem Leben - und in der ÖVP?

Es ist ein totaler Irrglaube, dass
der CV eine Rolle in der OVP spielt,
aber es spielen CVer eine Rolle in
der ÖVP. Ich habe als einstiger CV-
Präsident Führungserfahrung gesammelt, habe viel gesehen und viele Leute kennengelernt. Das hat
mich sehr geprägt.

2022 sind Sie Staatssekretär im Fi-

haben sich um Digitalisierung ge-

kümmert. Ein cooler Job — welcher

Teufel hat Sie gerlnen, das nach
halb J:

in die Innsbrucker Wahl zu nehen"

Ja, es war unglaublich toll.
Auch, weil mir Magnus Brunner
Platz gelassen hat, was zwischen
Ministern und Staatssekretären
nicht immer selbstverständlich ist.
Aber dann hat sich die Chance ergeben, das bürgerliche Lager in meiner
Heimatstadt zu einen und mehr aus
Innsbruck zu machen.

Bereuen Sie es?

Ich hätte wahnsinnig bereut, es
nicht probiert zu haben. Es war ein
zutiefst ehrliches Unterfangen. Ich
würde es wieder tun, auch wenn es

hofft hatte. Natürlich war es ein per-

natürlich ist es mir danach nicht gut
gegangen. Ich habe die Flucht nach
vorne ergriffen und einen begonnenen postgradualen Master in „Digital Business and Tech Law“ fertiggemacht. Ich habe mich privatwirtschaftlich neu aufgestellt Außm"dem

Ich freue mich wahnsinnig, dass
Alexander Pröll dieses Portfolio hat,
weil er nicht nur seit Jahren ein guter Freund von mir ist, sondern
auch, weil er die Koordinierung und

Zur Person

Digitalkompetenz
Der Tiroler leitet seit
Februar dieses
Jahres das Vodafone
Institut Europa, eine
Denkfabrik des
internationalen
Telekommunikationsunternehmens

Politik-Karriere
2022 wurde Florian
Tursky Staatssekretär für Digitalisierung im Finanzministerium der
Regierung
Nehammer. In dieser
Zeit wurde die ID
Austria eingerichtet,
die Amtswege auf
digitalem Wege
ermöglicht. Das
Regierungsamt legte
er im März 2024
nieder, um Innsbrucker Bürgermeisterkandidat zu werden.
Aufgrund rivalisierender ÖVP-Gruppen
landete er nur auf
Platz fünf und orientierte sich danach
beruflich neu. Er
gehörte dem Koalitionsverhandlungsteam der ÖVP an

Zur ausführlichen
Sendung „Salon

Sal “ auf
KURIER TV: QR-Code
mit Handy scannen

ches Händchen bei der Digitalisi
rung - vom schnell wieder geschlossenen „Kaufhaus Österreich“
bis zum Post-Online-Kauf-Kanal
„shöpping.at“, der auch nicht so

war ich in die ÖVP-P:
und in die Koalmonsveflundlungen
eingebunden.

nicht so ausgegangen ist, wie ich ge- Dort haben Sie das Kapitel Digitalisierung mitverhand l. ie haben
Tiefschlag. Sie die

sönlicher und politisch
Ganz sicher habe ich die Querelen
innerhalb von Innsbruck unterschätzt. Ich wurde außerdem viel
mehr als Wiener wahrgenommen,
als ich gedacht hatte. Ich wurde
nicht als hier verwurzelt betrachtet.
Dabei bin ich in Innsbruck aufgewachsen.

Warum haben Sie das A

Sehr gur bei der D|gltallsnerung
ist uns im Programm viel gelungen.

Beim Prozess wurde uns vorgewor- ®

fen, dass er zu aufwendig aufgesetzt
war. Aber am Ende haben wir erarbeitet, worauf das jetzige, sehr gute Koalitionspapier aufbaut.

Alexander Proll, der neue ÖVP-Reist als Staats-

tariat nicht behalten?

Das stand für mich außer Frage,
weil ich diese ewige Diskussion
nicht haben wollte: „Wenn es nix
wird, hat er eh seinen Plan B.“ Aber

sekretär auch für Digitalisierung
zustnndxg und will nun die ID Austria benutzerfreundlicher machen.
Haben Sie das zu kompliziert gestaltet?

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den öffentlichen Dienst hat: Das be- richtig abhebt.
nötigt man, um in der Digitalisie- Das sind alles keme relevanten
bringen. Ich ha- Digitalisi A die den

rung etwas
be immer gesagt, die ID Austria und
das Digitale Amt müssen viel einfacher werden - so einfach wie Tinder.

Österreich hatte oft kein glückli-

Standort wem:rbnngen Diese finden eher im Hintergrund statt, da
geht es um Datenverbindung. Also
erwa: Wie gelingt es, die Führerscheindaten mit der ID Austria so zu

verknüpfen, dass man einen digitalen Führerschein haben kann? Oder
wie schaffen wir es, dass Firmen
künftig über das Unternehmensserviceportal alle ihre Förderungen abwickeln können?

Hat Europa bei der Digitalisierung
denn noch eine Chance, sich global
zu profilieren?

Mit Bleistift und Papier werden
wir sicherlich nicht die Welt retten
und unsere Wirtschaft ausbauen
können. Das ist schwierig, weil Digitalisierung, und speziell Künstliche
Intelligenz, abstrakt wirkt. Aber wir
werden zum Beispiel Entbürokratisierung nur mithilfe der Digitalisierung schaffen.

Seit Februar 2025 leiten Sie die
Denkfabrik „Vodafone Institute
Europe“, Was ist Ihre Aufgabe?

Es ist offen gesagt wahnsinnig befreiend, einmal für ein Unternehmen
tätig sein zu dürfen, das nicht in Österreich ist. Vodafone ist eines der
größten Mobilfunkunternehmen der
Welt und hat den Gruppensitz in London. Unser Institut sitzt in Berlin. Wir
denken darüber nach, wie sich die gesamte Branche weiterentwickelt und
wie Europa zwischen den USA und
China eine technologische Spitzenrolle einnehmen kann.

Was würde passieren, wenn wir das
als Europa nicht schaffen?

Wir haben eine hohe technische
Abhängigkeit in Europa. Denken Sie
allein an die meisten Services, auf
die Sie in der Redaktion zurückgreifen. Natürlich ist das ein Extrembeispiel, das so fast nicht denkbar ist.
Aber es zeigt, wie abhängig wir geworden sind, und auch, wie wenig
europäische Konkurrenz hier leider
aufgebaut wurde. Das mussten wir
im Verteidigungssektor sehr hart
lernen, aber auch beim Techniksektor ist es ähnlich.

Was sagen _ Sle als ehemallger

rium über das gmße Budgetloch?
Wir haben extrem herausfordernde Jahre hinter uns. In diesen
Krisen musste man Geld in die Hand
nehmen, damit die Wirtschaft am
Laufen bleibt. Sehr viele von denen,
die jetzt besonders laut über das
Budgetdefizit schreien, waren auch
die, die damals besonders laut gerufen haben, dass man sehr viel investieren muss, weil sonst geht alles
den Bach hinunter. Der ÖVP war immer klar, dass das Ganze auch wieder einmal zurückgezahlt werden
muss. Die wirtschaftliche Lage ist
aber noch viel schlimmer, als wir damals vermutet und es von den Wirtschaftsforschern prophezeit wurde.

Karl Nehammer ist politisch Geschichte. Ist es schade um ihn?

Ja, natürlich, Christian Stocker
macht einen fantastischen Job. Aber
Karl Nehammer war in einer unglaublich schwierigen Zeit Kanzler
und hat es wirklich gut, solide und
mit Ruhe gemacht. Deshalb ist es absolut schade um ihn. Schade auch,
dass er der Einzige ist, der eine politische Konsequenz aus den Verhandlungen ziehen musste. Viele
andere in den anderen Parteien sind
noch da,

Sie pendeln zwischen Deutschland,
Österreich und der Schweiz, werden jetzt zum ersten Mal Vater, Wo
ist Ihr Lebensmittelpunkt?

__ Derzeit aktuell am wenigsten in
Österreich. Ich bin in die Schweiz
gezogen, wir erwarten im Mai ein
Kind, und von dort pendle ich nach
Deutschland.