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Jahr: 2024

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Tiroler Tageszeitung

„Die geballte Faust der Nächstenliebe“, Seite 14

Innsbruck —- „Gesprengt“ soll
sie geworden sein, nach „stürmischem Verlauf“. So berichteten Tirols Zeitungen im
Februar 1920 von einer Veranstaltung mit dem Wiener Autor
und Fackel-Herausgeber Karl
Kraus. Die Wahrheit klingt anders: Kraus, dessen Geburt sich
heuer zum 150. Mal jährt, hatte
Szenen seiner Weltkriegssatire
„Die letzten Tage der Menschheit“ gelesen. Es gab Beifall,
einige „Pfui“-Rufe. Die „organisierte Opposition“, vor der
Ludwig von Ficker Kraus warnte, blieb daheim. Von Ficker,
Herausgeber der Zeitschrift
Der Brenner, hatte die Lesung
organisiert, nachdem die Landesbildungsanstalt Kraus ein-,
dann ausgeladen hatte.
Geplant war noch ein zweiter Kraus-Abend. Doch inzwischen hatte sich die Opposition tatsächlich organisiert.
Deutschnationale planten
Störaktionen, der Antisemitenbund tobte, der eine oder

andere Dichter machte Stimmung, Ernst Diehl, Rektor der
Universität Innsbruck, nannte
Kraus einen „rassenfremden
Verhöhner des deutschen Volkes“ — und Innsbrucks Bürgermeister Wilhelm Greil verbot
die Lesung. Bei Aufmärschen
drohte der Antisemitenbund
Kraus „die Faust der christli-

&

e

«

chen Nächstenliebe“ an. Im
Gemeinderat hielten Christsoziale und Großdeutsche antisemitische Brandreden. Der
Innenminister ließ die Anfrage,
ob das Veranstaltungsverbot
ungesetzlich sei, vielsagend
unbeantwortet. Eine ganze Fackel-Ausgabe hat er den Tiroler
Tumulten gewidmet — und die

Im Treibhaus wird am
Sonntag an die antisemitischen Tumulte

gegen Karl Kraus

e (1874-1936) erinnert.

Foto: imago

Die geballte Faust der Nächstenliebe

1920 verbot Innsbrucks Bürgermeister eine Lesung von Karl Kraus. Jetzt wird sie nachgeholt.

Ausfälle gegen ihn peinlichst
genau rekonstruiert.

Als Beitrag zum Kraus-Jahr
wird die einst verbotene Vorlesung am Sonntag im Innsbrucker Treibhaus nachgeholt.
Johann Nikolussi liest Kraus.
Michael Schöch begleitet mit
Musik von Schönberg. Auch
Schönberg wurde heuer vor
150 Jahren geboren.

Karl Kraus starb 1936. 2019
hat Kraus-Kenner Friedrich
Pfäfflin seine umfangreiche
Sammlung dem Innsbrucker
Brenner-Archiv übergeben, wo
sie derzeit erschlossen wird.
Gleich drei Kraus-Lectures finden dort heuer statt. Den Auftakt macht im April Jens Malte
Fischer, Verfasser der großen
Kraus-Biografie „Der Widersprecher“. (jole)

Karl Kraus in Innsbruck. Sonntag, 25. Februar, im Treibhaus.
Beginn: 19.30 Uhr. www.treibhaus.at

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