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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_03_22_Presse_OCR
- S.8
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Tiroler Tageszeitung
„Nichts ist älter als der Applaus von gestern“, Seite 2
Kommentar
Nichts ist älter als der
Applaus von gestern
Von Markus Schramek
rene Girkinger war Premierengast,
I als der als besonders einfallsreich
geltende Regisseur Frank Castorf am
Wiener Burgtheater Thomas Bernhards
„Heldenplatz“ bis zur Unkenntlichkeit
zerlegte. Ähnliches wird die Chefin
des Tiroler Landestheaters (TLT) dem
hiesigen Publikum kaum zumuten. Man
darf der Neuen allerdings auch so attestieren, dass seit ihrem Dienstantritt eine
neue Handschrift erkennbar wurde.
Girkinger ließ experimentieren und
ausprobieren. Die Inszenierungen
näherten sich Klassikern quer durch die
Sparten, von „La Boh&me“ bis zu Shakespeare und Nestroy, auf erfrischend
unverkrampfie — manche werden sagen:
freche — Art. Nicht alles gefiel, doch die
Buhs blieben auf Premieren beschränkt.
Sonst verebbte die Kritik hinter vorgehaltener Hand. Dafür wurde auf den gut
besuchten Rängen (insgesamt
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auf Seite 14
zu 89 Prozent ausgelastet) vermehrt
jüngeres, bunteres Volk gesichtet. Das
gelingt längst nicht bei allen Kulturveranstaltungen. Noch viel weniger bei solchen, für deren Besuch eine Art Schwellenangst überwunden werden muss.
Nun liegt das Programm für Girkingers
zweite Spielzeit in Innsbruck vor. Sie ist
sich selbst im Klaren darüber, dass das
zweite Jahr das schwierigste sein wird,
der zweiten Aufführung eines Stücks
nach der Premiere nicht ganz unähnlich:
Der Anfangselan droht zu verpuffen, der
Applaus von gestern ist verhallt und alt.
Das neue Programm wirkt breiter
gestreut. Das Stichwort „Unterhaltung“
kam der Intendantin bei der Präsentation recht locker über die Lippen. Ja,
ein Abend am TLT darf auch einmal
einfach nur Spaß machen, ohne gleich
ins Triviale abzugleiten. Den Spagat
zwischen leichterer Kost und Theater mit
Anspruch zu vollziehen, darauf wird es
ankommen im zweiten Jahr.
Eines freilich schmerzt: Dass das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck nun
schon bald ein Jahr ohne Chefdirigent/
-in da steht, muss sich Girkinger ankreiden lassen. Sonst darf sie zufrieden sein.
Zurücklehnen sollte sie sich aber nicht.
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