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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_03_23_Presse_OCR
- S.5
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Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung
„Einer, der Tirol weltoffen machte“‘, Seite 6
Einer, der Tirol weltoffen machte
Späte Auszeichnung für Sigmund Kripp, der die MK zum einst größten Jugendzentrum Europas machte:
Über 50 Jahre nach seiner Abberufung wird er Ehrenbürger der Stadt Innsbruck. Er prägt Land und Leute bis heute.
Von Michaela S. Paulmich!
Innsbruck, Vöcklabruck —
Ob er sich überhaupt darüber
freuen würde? Nach so langer Zeit? Hanns Forcher-Mayr
war sich nicht sicher. Dass Sigmund Kripp, früherer Leiter
des Jugendzentrums der Marianischen Kongregation (MK),
diese Anerkennung längst verdient hat, daran gab es für den
Alt-MKler aber keinen Zweifel.
Also reichte er mit 40 weiteren den Antrag bei der Stadt
ein, die den Vorschlag sofort
aufgriff. Schon drei Wochen
später fiel im Innsbrucker Gemeinderat ein einstimmiger
Beschluss: Als Dank für seine „herausragende Arbeit mit
lugendllchen unserer Stadt”
— so die offizielle Begründung
— Wwird Kripp, der in einigen Tagen 9 Jahre alt wird, am Montag die Ehrenbürgerschaft von
Innsbruck verliehen.
Ich war erstaunt,
„ dass es so lange
gedauert hat. Schließlich
liegt das alles schon so
viele Jahre zurück.“
Sigmund Kripp
(früherer MK-Leiter)
Die Nachricht überbrachten zwei MKler dem heute in
Vöcklabruck lebenden Pädagogen gleich selbst und trafen
auf einen amüsierten älteren
Herrn. „Ich war erstaunt darüber, dass es doch so lange
gedauert hat. Schließlich liegt
das alles schon so viele Jahre zurück”, sagt Kripp später
im TT-Gespräch. Trotz allem
freut er sich über die späte
Ehrung und wohl auch darüber, bei dieser Gelegenheit
seine ehemaligen MKler wieder einmal treffen zu können.
Viele von ihnen haben den
Kontakt ohnehin nie abgebrochen und halten die Erinnerung aufrecht. Damals, das
waren die Jahre von 1959 bis
1973, „die Gesellschaft war
im Wandel“, erzählt Kripp.
Allerdings hätten sich die Tiroler etwas schwer damit getan. Ob die Aktivitäten der MK
diesen Wandel schließlich beschleunigt haben? „Ich glaube
schon“, meint er.
Vertrauen in junge Leute
Denn die vielen jungen Leute,
für die er die Verantwortung
hatte und in die er so viel Vertrauen setzte und seinerseits
ermutigte, Verantwortung zu
übernehmen, hielten Kripps
Ideen auch nach dessen unfreiwilligem Ausscheiden
hoch. Zu seiner Zeit war die
Alt-MKier: Hanns Forcher-Mayr, Wolfgang
cabona, Otto Licha (1, v.1.). M:H.i!fll(2).lh
von Filmemachem (3).
umgeben "
Titelseite (4). MK-Heim bis 1963 (5).
MK das größte Jugendzentrum Europas.
Der frühere Jesuitenpater war vom damaligen Bischof Paulus Rusch abberufen worden, die „einzigartige
Kripp"sche Pädagogik“ war
für die „konservativen Prälaten vom Domplatz“ — so der
Wortlaut in der Nominierung
— nicht akzeptabel. Letztlich
spießte es sich an der Weigerung Kripps, im neuen MK-
Gebäude bei den Duschen
Vorhänge anbringen zu lassen.
Forcher-Mayr: „Nackt zu
duschen galt als Sünde.“ Überhaupt habe die kritische Mei-
Abberufung zierte die profil-
nung der Jugendlichen nichts
gegolten. „Grundsatz war:
Hände falten, Gosch"n halten.
Aber Kripp hat im stockkonservativen Tirol Freiraum für
Jugendliche geschaffen.” Es
war eine Zeit, in der es tabu
war, mit Jeans in die Schule
zu gehen und Mädchen keine
Hosen tragen sollten. „Kripp
war ihr weit voraus. Bischof
Reinhold Stecher ist zehn Jahre zu spät gekommen, unter
ihm wäre das nicht passiert.”
Die Abberufung konnten
nicht einmal 6000 Unterschriften - gesammelt von Künstler
Paul Flora — und die schützen-
de Hand Karl Rahners - wie
knpp lesun und emet der be-
Th des
20. Jahrhunderts — verhindern.
6000 Unterschriften
Bei der Verabschiedung im
Congresshaus war schließlich selbst die riesige Halle zu
Mein, um alle MKler, Eltern
und Freunde zu fassen. Jahre
später wurde Kripp auch nach
aus der Societas Jesu ausgeschlossen. Er hatte den jesuitenorden kritisiert und eine
Demokratisierung angeregt.
Doch auch das konnte nicht
mehr stoppen, was er mit sei-
nem Selbstverständnis für ein
demokratisches Miteinander
bereits bewirkt hatte. Die ihm
anvertrauten Jugendlichen
lebten die Kripp’sche Pädagogik — Vertrauen in die Jugend
setzen, weil sie so beginnen,
ihre Zukunft selbst zu gestalten - und gaben sie weiter.
„Es war eine wunderbare
Welt der Vorbereitung auf das
Erwachsenenleben”, sagt Alt-
MKler Wolfgang Stabentheiner. „Und es war sein großes
Verdienst, Räume zu schaffen
- physnsch und inhaltlich —, in
denen wir von uns heraus tätig werden konnten. Ohne ihn
wäre Innsbruck nie das heutige Innsbruck geworden.” Jeder sei seinen Fähigkeiten und
prechend gefördert worden, im Sport und
im künstlerischen Bereich. Für
seinen Weggefährten Enrico
Riccabona war die MK „eine
Plattform”: „Wir haben Freun-
nichts gegolten. Grundsatz war: Hände falten,
Gosch"n halten.“
Hanns Fmfl*"l"
(Alt-MkKier)
de gefunden und kannten uns
verwirklichen. Was brachlag,
wurde wachgeküsst.” Riccabona hatte auf einer der vielen
MCK-Reisen den Bus gesteuert.
„Es war nicht so, dass er gekommen ist und uns zu Revolutionären erzogen hat. Er hat
immer nur gesagt: ‚Lasst’s die
Jungen selber reden‘”, erinnert sich Otto Licha, ebenfalls
Alt-MKler. Und das taten sie
auch. Licha: „Einmal im Monat erschien unsere Zeitung
Wir diskutieren, wir konnten
dort schreiben, was wir wollten.” Nach über 50 Jahren haben die Jesuiten die Ausgaben
nun freigegeben, sie sollen digitalisiert und allgemein zugänglich werden.
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