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Jahr: 2024

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Der Standard

„Fünf Lehren aus der Innsbruck-Wahl“, Seite 8

Fünf Lehren aus der Innsbruck-Wahl

Kommunale Wahlentscheidungen lassen selten Rückschlüsse auf das ganze Land zu - manchmal aber doch.
Warum der blaue Durchmarsch kein Gesetz ist und die Neos ein Problem haben.

Katharina Mittelstaedt, Sandra Schieder, Martin Tschiderer

ahl Nummer zwei des
Superwahljahres 2024 ist

n — und sie barg

geich mehrere unerwartete Ergebnisse. Die größte Überraschung waren die beiden Wahlsieger selbst:
Georg Willl. der amtmende Inns-

der vor der Wahl aus der ÖVP ausgeschlossen wurde und mit ugcncr
Liste antrat, ziehen

in die Stichwahl, Mehrere -auch österreichweit relevante — Erkenntnisse Jassen sich aber schon jetzt
von der Regionalwahl ableiten.

m Herbes Signal für die ÖVP Früher
galt die eiserne Regel: Nur nicht zu
viel in Regionalwahlen hineininterpretieren. Und eigentlich gilt sie
noch immer. Die Auswirkungen von

ahlen oder Gemeinderatswahlen auf die Bundespolitik
halten sich oft in Grenzen, Bloß weil
eine Partei regional stark ist, heißt
das noch nicht, dass ihr auch österreichweit ein Erfolg bevorsteht.
Dennoch gibt es zulässige Ableitungen — auch von dieser Innsbruck-
Wahl, sagt der Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer von
der Universität Innsbruck. Eine lautet: Für die gesamte ÖVP sei die
Wahl in der Landeshauptstadt „ein
herbes Signal“,

Denn nachdem Innsbruck entweder weiterhin von einem Grünen geführt oder lediglich an einen abtrünnigen ÖVPler gehen wird, steht
schon jetzt fest: Eisenstadt bleibt
die österreichweit einzige Landeshauptstadt, die ÖVP-geführt ist.
„Die einstige Großpartei ÖVP ist in
Österreichs ‘Metropolen” nicht mehr
vertreten“, sagt Karlhofer. „Die Zentren gehen nach und nach verloren
und werden auch nicht mehr zurückerobert.“

m Gute Umfragen verheißen keinen
blauen Durchmarsch Ob es um die
EU-Wahl, die Nationalratswahl oder
die Ende 2024 anstehende Steiermark-Wahl geht — wirft man einen
Blick auf jüngste Umfragen, zeigt
sich ein klares Bild: Die FPO führt
sie alle an. Doch derlei Prognosen
sind mit Vorsicht zu genießen, das
zeigt sich einmal mehr in Innsbruck, Nachdem die Freiheitlichen
vor wenigen Woachen in der Stadt
Salzburg nur leichte Zugewinne verzeichnet hatten, stiegen sie in Innsbruck gar mit einem Minus von 3,4
Prozentpunkten aus. In den Umfragen war das nicht vorherzusehen, in

Innsbruck war die nun drlttphtner
te FPÖ teils gar auf Platz eins gelegen. Wobel anzumerken ist, dass
sämtliche Meinungsforscher darauf
hingewiesen haben, dass diese Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen
sind.

Die Diskrepanz zwischen Umfragen und Wahlergebnissen ist insofern spannend, da die Freiheitlichen
viele Jahre in den Umfragen deutlich schlechterabgeschnitten hatten
als bei den Wahlen. Politikberater
Thomas Hofer hat dafür folgende
Erklärung: „Früher kam es zu einer
Unterdeklaration, mittlerweile gibt
es eine Überdeklaration.“ Der Politikberater meint: Die Bereitschaft,
sich auch in Umfragen als Wählerin
oder Wähler der FPÖ zu „outen“, sei
in den vergangenen Jahren deutlich
gestiegen. Und dafür gebe es mehrere Gründe,

Zum einen führt laut Hofer die
aktuelle Themenkonjunktur —
Stichwort Teuerung, Krieg, Migration und Corona - zu einer höheren

Deklarationsb ‘haft zur FPO.
„Die Leute haben das Gefühl, dass
viele denken wie man selbst, was zu
einem größeren Selbstbewusstsein
und damit einer höheren Deklarationsbereitschaft führt.“ Außerdem
hätten gute Umfragewerte für eine
Partei den Effekt, dass sich noch
mehr Menschen zu dieser Partei bekennen, „man möchte ja bei den
Siegern sein“, sagt Hofer,

Unbestritten ist wohl dennoch,
dass die EU-Wahl wie auch die Nar
tionalratswahl für die Freiheitlichen
gut ausgehen werden — möglicherweise aber nicht ganz so gut wie prophezeit,

m Mehrheit Mitte-rechts ist kein Naturgesetz Ein Blick auf die Mandatsverteilung im neuen Innsbrucker
Gemeinderat zeigt etwas, das man
gerade in der Hauptstadt des
schwarzen Kernlands Tirol wohl
lange nicht für möglich gehalten
hätte: Es gibt eine Art Mitte-links-
Mehrheit im Stadtparlament, Und

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I
W

Markus Lassenberger (FPÖ, Il.) konnte
gute Umfragen nicht bestätigen, Florian
Tursky (ÖVP, o.} fiel durch.
Georg Willi (Grüne) darf noch hoffen.

For0s: APANG OE [3

das im bürgerlich geprägten Innsbruck, dessen Stadtchefs seit 1945
und bis zum grünen Amtsinhaber
Georg Willi allesamt aus dem konservativen kamen,

Grüne, SPÖ, KPÖ und die linksalternative Liste ALI kommen gemeinsam auf 19 der 40 Gemeinderatssitze. Zusammen mit den zwei
Mandaten der Liste Fritz, eines
recht liberalen ÖVP-Spin-offs, ergibt das eine Mehrheit. Gemeinsam
mit der neuen Liste bers,
ebenfalls eine eher liberale Abspaltung, macht das 29 der 40 Sitze
im Stadtparlament für ein fiktives
Mitte-links-Bündnis. In der Zweiten

;S"bhk hatten bislang stets ÖVP,
und ihre jeweiligen Abspaltungen eine Mehrheit in Innsbruck,

Bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl in der Festspielstadt
Salzburg gab es im März überhaupt
eine deutliche Mehrheit links der
Mitte: SPÖ, KPÖ und Grüne kamen
gemeinsam auf gut 61 Prozent der
Stimmen, Die jüngsten Wahlergeb-

nisse haben das Potenzial, eine
scheinbare österreichische Sicherheit etwas aufzubrechen: dass
außerhalb von einzelnen Städten
und Ländern wie Wien, Linz oder
dem Burgenland struktureile Mehrheiten rechts der Mitte eine Art Naturgesetz sind,

m Die KPÖ fasste Fuß Nach Linz,
Graz und Salzburg ist es der Partei
nun mit Innsbruck in der vierten
Landeshauptstadt gelungen, in den
Gemeinderat einzuziehen, Zwar kamen die Kommunisten in Tirols
Landeshauptstadt lediglich auf 6,7
Prozent - und sind damit von den
fulminanten Ergebnissen in Graz
und Salzburg jenseits der 20 Prozent
weit entfernt. Dennoch lässt sich sagen: Die KPÖ hat Potenzial. Bislang
wurde es allerdings nur auf kommunaler Ebene entfaltet; Auf Anfrage
des STANDARD lässt Bundessprecher Tobias Schweiger wissen, dass
die KPÖ mittlerweile in 29 Gemeinden in fünf Bundesländern vertreten ist — und zwar in Oberösterreich,
Niederösterreich, Salzburg, Tirol
und in der Steiermark.

Ein Österreichweiter Erfolg bei
der Nationalratswahl im Herbst
Jässt sich davon zwar noch nicht ableiten, ist aber möglich: Derzeit liegt
die KPO in österreichweiten Umfragen zwischen drei und fünf Prozent,

m Neos verlieren an Halt Für die Neos
lief es bei Wahlen zuletzt alles andere als rund: Am Sonntag verloren
die Pinken ihr einziges Mandat im
Innsbrucker Gemeinderat, Das
schlechte Abschneiden im urbanen,
studentischen Gebiet dürfte die Partei besonders hart treffen, vermutet
man in diesen Milieus doch die
Kernzielgruppe der Neos. Und es
war nicht die erste Schlappe in der
jüngsten Vergangenheit: In der
Stadt Salzburg hat die Partei vor wenigen Wochen gerade einmal mit
einem Mandat den Wiedereinzug
geschafft. Wahrlich erschüttert hat
die Pinken allerdings die Wahl in
Salzburg ein Jahr zuvor, als die Partei hochkant aus dem Landtag flog.
Das schlechte Abschneiden in
mehreren regionalen Wahlen habe
durchaus generelle Auswirkungen
für die Neos, sagt Karlhofer. „Wenn
die Neos in wichtigen Städten und
damit wichtigen Wahlterritorien
nicht verankert sind, ist das für sie
auch in Hinblick auf die Nationalratswahl ein Problem.” In den bundesweiten Umfragen liegt die Partei
konstant bei rund zehn Prozent.