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Jahr: 2024
/ Ausgabe: 2024_04_28_Presse_OCR
- S.14
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Kurier
KURIER
„Lehren aus der Innsbruck-Wahl für den Bund“, Seite 8
28.4.2024
Lehren aus der Innsbruck-Wahl für den Bund
Ableitungen. Die Landeshauptstadt kürt heute noch ihren Bürgermeister. Die im Mikrokosmos Innsbruck
bereits geschlagene Gemeindewahl lässt mögliche Schlüsse für ganz Österreich und die Nationalratswahl zu
VON CHRISTIAN WILLIM
Mit Georg Willi wird heute das
erste grüne Oberhaupt einer
Landeshauptstadt von einem
liberalen Bürgerlichen, dem
Ex-OVPler Johannes Anzengruber, in einer Stichwahl um
das Bürgermeisteramt herausgefordert. Zwischen 18 und 19
Uhr dürfte der Sieger feststehen. In der Gemeinderatswahl
vor zwei Wochen hatten die
Grünen trotz Verlusten Platz
eins verteidigt. Anzengruber
kam mit seiner Liste JA aus
dem Stand auf Platz zwei.
Lässt sich aus diesem kommunalen Wahlgang - noch dazu in einer Stadt, die zuletzt
mit allerhand politischen Absurditäten und Zersplitterungen aufgezeigt hat — etwas für
Wahlen auf anderen Ebenen
ableiten? Etwa gar für die Nationalratswahl im _Herbst?
Man kann es versuchen. Auch
weil sich im Mikrokosmos
Innsbruck dörfliche und typisch urbane Bezirke — also
Stadt und Land — vereinen. Daraus ergeben sich 5 Thesen:
Geld alleine schießt
_keine Tore
Die OVP ist mit dem Versuch,
bürgerliche Kräfte in einer Allianz mit Seniorenbund sowie
der früheren Abspaltung und
Ex-Bürgermeister-Partei Für
Innsbruck zu einen, grandios
gescheitert. Da halfen weder
ein junger Spitzenkandidat —
Ex-Staatssekretär Florian
Tursky (35), noch neue Parteifarbe (Orange) oder neuer
Name (Das neue Innsbruck).
Vor allem verpuffte aber
das mit Abstand größte Budget aller 13 Listen. Offiziell
wurden rund 700.000 Euro —
Konkurrenten gehen von wesentlich mehr aus — in die
Wahlschlacht geworfen. Am
Ende ließen sich nur knapp
über 10 Prozent der Wähler
überzeugen. Mit separatem
Antreten hatten die drei verschmolzenen Listen 2018 in
Summe über 30 Prozent.
Umfragen machen noch
keine Sieger
Bei der FPO war am Wahlsonntag vor zwei Wochen
Enttäuschung angesagt. Der
fix eingeplante Sieg konnte
nicht eingefahren werden.
Vielmehr rutschten die Blauen von Platz zwei auf drei ab
und bilanzierten mit einem
Minus. Umfragen sind, noch
dazu, wenn sie wie im Falle
von Innsbruck von über-
schaubarer Qualität sind, mit
Vorsicht zu genießen. In Innsbruck hat die FPO jedoch —
anders als vermutlich bei der
kommenden _Nationalratswahl - einen relativ handzahmen Wahlkampf geführt. Im
Fokus standen Attacken auf
die Bürgermeister-Grünen.
GEMEINDERATSWAHL IN INNSBRUCK
Stimmenanteile in Prozent, Veränderung gegenüber Wahl 2018,
vorläufiges Endergebnis (inkl. Wahlkarten)
Grüne
Jetzt Innsbruck (JA)
FPÖ
SPÖ
Neues Innsbruck* (TURSKY)
KPÖ
Liste Fritz (FRITZ)
Alternative Liste (ALI)
Grafik: Künz
* Für Innsbruck, Volkspartei, Senioren
A 18,87 -5,3
D 16,83 neu
a 15,21 -3,4
a 13,58 433
10,15 neu
I 6,72 neu
IM 550 +0,1
I 4,83 +2,5
Quelle: Stadt Innsbruck
Polarisierung muss nicht
alleine aufs rechte Konto
einzahlen W
Auch wenn die FPO ihre klassischen Aufregerthemen
nicht groß gespielt hat, so
war bei einer derart großen
Vielfalt an Listen dennoch jede Menge Feuer im Spiel. Die
verschiedenen Gruppierungen haben intensiv mobilisiert. Die Wahlbeteiligung ist
von etwas mehr als 50 auf
über 60 Prozent gestiegen.
Herausgekommen ist ein
Linksruck. Die Kommunisten
und die SPO könnten dabei
auch in klassischen FPO-Hochburgen punkten. So auch der
gemäßigte Bürgerliche Anzengruber. Sie alle haben Stadtteile mit großen Wohnblöcken
beackert, was offenbar honoriert wurde. Die SPÖ konnte
trotz linkerer Konkurrenz
(KPO und ALI) zulegen, die
Grünen sich trotz Verlusten
auf ihre innerstädtischen
Hochburgen verlassen.
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Bürgerliches
weiter gesucht
Die OVP wurde vernichtend
geschlagen, aber von einem
aus den eigenen Reihen. Vielmehr aus dem schwarzen
Stall, als der ehemalige Almwirt Anzengruber, dessen
Oma als eine der ersten Frauen für die ÖVP im Landtag saß,
kann man eigentlich nicht
sein. Er zeigt sich zwischen
wirtschaftsfreundlich, christlich-sozial bis in Klimafragen
fortschrittlich. In Summe
konnte er authentisch verschiedenen Bevölkerungsschichten vermitteln, „einer
von euch“ zu sein. Trotz Gendersternchen auf seinen Plakaten. Das Paket überzeugte in
dörflich geprägten Hanglagen
wie auch im Gemeindebau.
Angebot
Der typische Österreicher
wählt eher Mitte-Rechts
Innsbruck ist überdurchschnittlich jung, international
und gebildet. Das verzerrt na-
d
APA/HELMUT FOHRINGER
In Innsbruck
verschmelzen
Stadt und Land,
urbane und dörfliche Bezirke,
ineinander
türlich das Bild beim Übertragen auf die nationale Ebene.
Für den KURIER hat Mathias
Behmann, Leiter des Innsbrucker Statistikamts, jene Wahlsprengel herausgefiltert, die
am ehesten der Altersstruktur
der Österreicher und der im
Land lebenden EU-Bürger
(auf kommunaler Ebene
wahlberechtigt) entspricht.
Das trifft vor allem auf die
ländlicheren Stadtteile und
jene mit unterdurchschnittlichem sozialen Status sowie
höherem Arbeiteranteil zu —
also eher einem Abbild des
ländlichen Österreichs. Und
hier schneiden — zumindest
an der Wahlurne, also ohne
Wahlkarten — der bürgerliche
Anzengruber mit Platz eins
und die FPO auf Platz zwei
deutlich besser, die Grünen
auf Platz drei wesentlich
schlechter ab. Bemerkenswert: Selbst in diesem Wählersegment kommt die KPO
auf über 5 Prozent.