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Jahr: 2024

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- S.46

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Der Standard

ÖVP-Rebell
Anzengruber siegt
in Innsbruck

Bei der Bürgermeister-Stichwahl stimmten 59,6 Prozent
für den Ja-Jetzt-Innsbruck-Gründer. Sein Vize will der
bisherige Stadtchef Georg Willi (Grüne) werden, der am
Sonntag unterlag. Nun starten Koalitionsgespräche.

Martin Tschiderer

tikers Johannes Anzengruber

gegen den bisher amtierenden
grünen Bürgermeister Georg Willi
hat sich in Innsbruck am Sonntag
bereits nach Schließen der Wahllokale um 16 Uhr abgezeichnet. Und
zwar ein deutlicherer als erwartet.
Das Ergebnis der Bürgermeister-
Stichwahl in der Tiroler Landeshauptstadt, das früher als erwartet
noch vor 18 Uhr präsentiert wurde,
brachte dann die Gewissheit.

Der neue Innsbrucker Stadtchef
heißt also Johannes Anzengruber.
Er wurde Ende des Vorjahres von
der ÖVP ausgeschlossen, er gründete die Liste Ja —- Jetzt Innsbruck -
kurz JA. Der 44-Jährige setzte sich
gegen Willi klar mit 59,6 Prozent der
Stimmen durch. Der Grüne unterlag
mit 40,4 Prozent und muss nach seiner ersten sechsjährigen Amtszeit
bereits wieder seinen Sessel räumen.

Anzengruber gab sich vom Wahlsieg „überwältigt“. Er wolle Innsbruck in eine gute Zukunft führen,
sagte der künftige Stadtchef. Der
Wahlkampf sei „phänomenal, aber
beinhart“ gewesen. Am Montag
wolle er die Koalitionsgespräche
starten und dabei mit der stärksten
Fraktion im Gemeinderat, also den
Grünen, starten. Anzengruber hielt
sich am Sonntagabend - wie zuvor
auch im Wahlkampf — offen, mit
welchen Parteien er eine Koalition
bilden will. Für ihn sei vor allem entscheidend, wer außer seiner Liste
sonst noch „mit Herzblut“ dabei sei,
sagte er dem STANDARD. Das werde sich in den Koalitionsgesprächen
rasch zeigen, war er überzeugt.

Willi gratulierte Anzengruber
und zollte dessen Leistung „Respekt“. Seine Partei brachte Willi sogleich für eine künftige Koalition in
Stellung. „Ich hoffe, wir werden gut
zusammenarbeiten“, sagte er und
strich hervor, dass die Grünen in der
Gemeinderatswahl vor zwei Wochen als stärkste Fraktion hervorgegangen waren, Anzengrubers Liste
auf Platz zwei landete.

Wie es für ihn politisch weitergehen soll, liegt für Willi auf der Hand:
„Ich möchte Vizebürgermeister werden“, machte er klar. Er wolle der
Stadtpolitik jedenfalls erhalten bleiben.

Grüne sehen kein Signal

Dass er die Stichwahl nicht gewinnen konnte, führt Willi darauf
zurück, dass es im Wahlkampf offenbar nicht gelungen sei, ausreichend zu kommunizieren, welche
Projekte man noch „in der Schublade“ gehabt hätte. Einen Trend für
die Bundespolitik und das Superwahljahr wollten weder er noch der
nach Innsbruck gekommene grüne

E in Sieg des früheren ÖVP-Poli-

Bundesparteichef Werner Kogler
vom Wahlergebnis ableiten. Innsbruck sei schon ein besonderes
Pflaster, sagte Kogler. Hier würden
sich Listen schließlich mit einer „beachtlichen Halbwertszeit“ spalten.

Einen Sieg des Herausforderers
hatten bereits im Vorfeld in Innsbruck viele für möglich gehalten —
nicht wenige auch erwartet. Nicht
zuletzt, weil Willis sechsjährige
Amtszeit vom Platzen der Stadtkoalition, Streitereien, politischen Blockaden und Intrigen geprägt war.
Der bisherige Bürgermeister konnte
letztlich viele seiner anvisierten Projekte nicht umsetzen. Der Frust der
Innsbruckerinnen und Innsbrucker
mit den politischen Zuständen in
ihrer Stadt war dementsprechend
groß.

Koalitionsfarben „Caprese“?

Was die künftige Koalition angeht, gilt trotz der betonten Zurückhaltung Anzengrubers vor den Gesprächen eine Variante als deutlich
wahrscheinlicher als jede andere:
die vom unterlegenen Willi
favorisierte „Caprese-Koalition“ aus
Grünen, SPÖ und Anzengrubers Liste (die sich selbst Weiß als Parteifarbe gegeben hat). Denn: Die rechnerischen Möglichkeiten, kombiniert
mit dem politisch Denkbaren und
bereits ausgeschlossenen Varianten
machen andere Optionen deutlich
unplausibler.

Im Innsbrucker Gemeinderat gibt
es 40 Sitze, für eine politische Mehrheit braucht es daher 21 davon. Eine
Mitte-rechts-Koalition aus Ja - Jetzt
Innsbruck, Freiheitlichen und Florian Turskys De-facto-ÖVP-Liste
Das neue Innsbruck hätte zusammen nur 19 Mandate. Eine Koalition
rechts der Mitte ließe sich allerdings
formen, wenn sich die kleine Liste
Fritz, eine liberale ÖVP-Abspaltung,
hinzugesellen würde. Deren Frontfrau Andrea Haselwanter-Schneider
hat diese Variante zuletzt aber ausgeschlossen.

Rein rechnerisch ebenfalls möglich wären Koalitionen quer durch
das politische Spektrum. Eine Zusammenarbeit von Ja — Jetzt Innsbruck, SPÖ und FPÖ käme zum Beispiel auf die nötigen 21 Mandate. Die
Sozialdemokratie hat aber nicht
eben drängendes Interesse an einer
Koalition mit der Freiheitlichen bekundet.

Summa summarum bleibt als
wahrscheinliche neue Koalition in
Innsbruck also die vom bisherigen
Stadtchef Willi angestrebte „Caprese-Koalition“. Die normative Kraft
des Realpolitischen dürfte auch für
Anzengruber nämlich ein gewichtiger Faktor bei der Formung seiner
neuen Innsbrucker Stadtregierung
werden. Kommentar Seite 20

Fotos: Florian Scheible

„ÖVP-Rebell Anzengruber siegt in Innsbruck“, Seite 5

Bürgermeisterstichwahl der Stadt Innsbruck
Endergebnis inkl. Briefwahlstimmen | Wahlbeteiligung: 51,5 %

Johannes Anzengruber JA

® — K
59,6%

Georg Willi Grüne
E 22,9 %*
40,4%

*Stimmenanteile im ersten Wahlgang am 14. April 2024

Quelle: Stadt Innsbruck; Fotos: APA (2) | DERSTANDARD

Johannes Anzengruber will
Innsbruck „mit Herzblut in eine
gute Zukunft führen“, wie er
am Wahlabend versprach. Mit
der Partei des unterlegenen
Georg Willi, den Grünen,
startet er Koalitionsgespräche.

So hat Innsbruck
gewählt

Stimmenmehrheit in den Stadtteilen,
ohne Briefwahlstimmen

Johannes Georg
® Anzengruber ® Willi

Quelle: Stadt Innsbruck | DERSTANDARD

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